Zum 100. Geburtstag von Tuli Kupferberg: Ein unheroischer Held
Er war Off-Beatnik, Rockstar, Anarcho und vor allem New Yorker: Tuli Kupferberg. Ihm soll ein Film gewidmet werden – mit Thurston Moore als Erzähler.
Wenn er nicht gerade im feinen Zwirn zu sehen ist, dann trägt er Adamskostüm. Es wundert irgendwie überhaupt nicht, Naphtali „Tuli“ Kupferberg auch als liebevoll gefertigte Handpuppe schon mal gänzlich nackt vor der Kamera stehen zu sehen.
Wenngleich der New Yorker zeit seines Lebens doch vor allem in vollem Karo-Aufzug im Gedächtnis bleibt; Karosakko, Karohemd, wenn nicht gerade mit einem sarkastischen Slogan auf der Brust, dazu bis ins hohe Alter gern eine Baseballkappe auf dem Kopf, in Grasgrün, Royalblau oder Neongelb.
Tatsächlich findet man dann doch eher einzelne Fotografien, auf denen Kupferberg in jüngeren Jahren ohne Kleidung (oder allenfalls mit einem zarten Stars&Stripes-Lendenschurz) zu sehen ist. Der New Yorker Poet, The-Fugs-Begründer, Beatnik und welche Schlagworte er sonst noch auf sich vereinen kann, war kein strenger Nudist.
Aber er hatte eben auch nichts dagegen, hin und wieder ohne Klamotten zu erscheinen. Wenn nicht als Statement gegen die prüden Sitten der McCarthy-Ära, dann mindestens doch, um die eigene Autorität zu untergraben.
Verhinderter Film
Am 28. September wäre Tuli Kupferberg (1923-2010) 100 Jahre alt geworden. Eigentlich sollte zu diesem Tag ein Film erscheinen, der sich Leben und Werk des einflussreichen Off-Beatniks widmet. Der französische Künstler und Filmemacher David Liver hat sich hierzu mit Tulis Tochter Samara Kupferberg zusammengetan, um mit „Tuli Tuli Tuli“ die Geschichte des „radikalen Liebenden“ (Zitat Liver) zu erzählen.
Es haperte wohl vor allem finanziell in der Postproduktion, das Team sammelt derzeit weiterhin Spenden. Nun gibt es aber immerhin einen Trailer zu sehen, der andeutet, wie Kupferbergs Geschichte erzählt werden soll.
Besagte Handpuppe, im Stile eines typischen Anchor-Man, gehört an- wie mal ausgezogen ebenso dazu wie Protagonistinnen und Protagonisten jener Stadt: zum Beispiel Kupferbergs langjährige Lebensgefährtin Thelma Blitz, die Autorin Yuko Otomo oder der Singer/Songwriter und Comiczeichner Jeffrey Lewis, der zuletzt mit Tuli Kupferberg noch YouTube-Videos gedreht hatte.
Als allwissender Erzähler konnte Sonic-Youth-Mitbegründer Thurston Moore gewonnen werden. Das klingt nach dem Rezept für eine mehr als solide Hommage, doch war Tuli Kupferberg selbst nicht stets bedacht darauf, eine Heroisierung der eigenen Person zu vermeiden?
Widersprüche suchen
„Das stimmt,“ bestätigt David Liver, „und du sprichst damit eines meiner Hauptbedenken an. Unser Film wird wahrscheinlich nicht ohne eine minimale heroische Darstellung auskommen, sonst wäre er weder eine Hommage noch ein Porträt eines großen Mannes.“ Aber er habe sich zu einigen „trügerischen Strategien“ entschlossen, die formale Widersprüche bewusst suchten.
So werden Moores einordnende Ausführungen immer wieder von Kupferberg respektive dessen filmischem Alter Ego selbst unterbrochen werden. An den Anfang des gesamten Vorhabens stellt Liver sein eigenes Interesse an Kupferberg, das rasch auf sein Publikum übergehen könnte: Als „Kinderkünstler“ will der Filmemacher ihn porträtieren, radikal zugänglich, zum inneren Kind in jedem sprechend. Und immer eine weitere, andere, nicht restlos kompromittierte Perspektive suchend.
Tuli Kupferberg fehlt offenbar noch immer. Oder heute umso mehr. Davon berichtet seine Tochter Samara, die im Vorfeld des Films erklärte, die Welt brauche dringend „seinen Witz, seine Weisheit, Wärme und seinen Charme, während wir durch diese verwirrenden und beängstigenden Zeiten navigieren.“ Der nächste Veröffentlichungstermin für diesen Film ist rund um die US-Präsidentschaftswahl geplant.