piwik no script img

Zum 100. GeburstagSpringers Passion

Am Mittwoch wäre der Verleger Axel C. Springer 100 geworden. Er sammelte Zeitungen, Gegner – und vor allem Fayence-Teetische. Geschmackssicherheit nicht garantiert.

Eine Springer-Sammelleidenschaft: Zeitungen und Zeitschriften. Bild: dpa

SCHLESWIG taz | Für die meisten Menschen ist er der umstrittene Großverleger, dessen Bild-Zeitung Schlagzeilen um jeden Preis jagte; für andere wieder der Jäger der Wiedervereinigung, erst als neutraler Gesamtdeutscher, dann als strammer Antikommunist. Doch all das wird Axel C. Springer nicht gerecht. Denn wonach er am meisten strebte, waren – Teetische.

Natürlich nicht irgendwelche, das macht Ulrich Schneider beim Rundgang auf Schloss Gottorf gleich vorweg mal klar: Springer sammelte Teetische mit Fayence-Platten, überhaupt Fayence des Ostseeraums in all ihren Erscheinungen. Also nicht etwa Porzellan, dieses teurere, filigran-edlere Pendant, das ab dem Ende des 18. Jahrhunderts die Fayence mehr und mehr verdrängte.

Sondern die etwas schwerere, manchmal geradezu klobige Geschirr-Nebenlinie aus ungesintertem Ton, deren Blütezeit in Nordeuropa im 17. und 18. Jahrhundert lag. Und da vor allem eben: Teetische, „er hat alle Erscheinungsformen des Teetisches haben wollen“, sagt Schneider, der hier am Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum die Fayence-Sammlung kuratiert.

Hundert Jahr'

Axel Cäsar Springer (1912–1985) wäre heute 100 Jahre alt geworden. Die Axel Springer AG begeht das Jubiläum schon seit Monaten auf allen Kanälen und heute Abend mit einem Festakt in Berlin.

Vater Springer war Verleger der Hamburger Neuesten Zeitung, nach dem Zweiten Weltkrieg legt Axel Springer mit der Hörzu und dem Hamburger Abendblatt den Grundstein für Europas größten Zeitungsverlag (Bild, Welt).

1958 verhandelt der selbsternannte Staatsmann Springer mit dem russischen SU-Chef Nikita Chruschtschow über die Wiedervereinigung und scheitert. Anschließend Selbststudium zum kalten Krieger.

1968 und die Auseinandersetzung mit der Studentenbewegung werden bis heute zum Trauma des Zeitungshauses und Springer selbst zum „deutschen Feindbild“ (Tilman Jens) – wobei beide Seiten routiniert in ihren jeweiligen Gräben verharren.

Am Ende wendet sich Springer verstärkt Mystik und Astrologie zu und entzieht – offiziell noch höchstselbst – zugunsten seiner fünften Gattin und heutigen Gralshüterin Friede den Enkeln einen großen Teil des Erbes, weshalb die bis heute ziemlich sauer sind. (stg)

Ein großer Teil stammt aus der Sammlung Axel Spingers, nach dem Tod des Verlegers ist sie bei der Auflösung seines „Wochenendhäuschens“, der veritablen Gutsanlage Schierensee, von Friede Springer dem Museum geschenkt worden. Dabei machte der Verleger keinen Unterschied zwischen der höfisch-eleganten Fayence der diversen Adelssitze, die jede ihre eigene Manufaktur privilegierten – und eher bürgerlichen, manchmal sogar derb-bäuerlichen Erscheinungsformen.

Die Teetische sind natürlich fast alle von Adel, wer konnte sich die „Alcopos des 18. Jahrhunderts“ (Schneider), also die neuen, stimulierenden Modegetränke wie Tee, Kaffee und Kakao, auch sonst schon leisten. Nun hatten diese Heißgetränke einen gravierenden Nachteil für die – darin der heutigen Ikea-Spanplatte gar nicht unähnlichen – Lackmöbel der Salons und Boudoirs: Sie waren – heiß, zu heiß, und zack, war der Lack ab. Also musste für die Teetisch-Platte hitzebeständiges Material her, das es auch nicht übelnahm, wenn es bei allzu stimuliertem Nachschenken mal ’ne Pfütze gab – Fayence passte prima. Auch wenn sie, anders als Porzellan, noch einer Glasur bedarf, um wirklich dicht zu sein.

Noch eine Springer-Leidenschaft: Fayence. Diese Terrine steht im Museum in Höchstadt an der Donau – hätte aber wohl auch Springer gefallen. Bild: dpa

Weiter geht es auf Gottorf, Teetisch über Teetisch, in den Vitrinen dazu Vasen, Schalen, Tafelaufsätze. Manche streng einfarbig bemalt, andere knall bunt. „Die Manufaktur Schleswig erkennt man an der Manganglasur“, sagt Schneider, „die hatten kein Privileg für Blau“ – auch die Verwendung bestimmter Farben, lernt der Besucher, war an herrschaftliche Genehmigungen gebunden.

Springer hatte neben dem Praktischen (Teetische, Teller, tiefe Tassen), dabei aber genau so einen Faible für Skurriles.

Darauf einen Bischof!

Auch wenn er es zu seinem Lebensende mit dem lieben Gott, den Engeln und den Sternen hatte, zieren seine Sammlung mehrere „Bischöfe“, also Gefäße für die heiße Rotweinbowle gleichen namens. Wo die gleichnamigen Geistlichen, vor allem die katholischen, dem Volk Enthaltsamkeit predigten, nahmen die Renitenz in Glaubenssachen nicht abgeneigten, überwiegend protestantischen Nordlichter ihren „Bischof“ gleich aufs Korn – und nicht nur im übertragenden Sinne zur Brust.

Aus großen Fayence-Bowlegefäßen, die wie eine Bischofsmütze geformt waren – oben auf dem Deckel neckisches Kreuz und drunter gemaltes Saufgelage. „Interkonfessionelle Spannung per Fayence ausleben – so etwas hätte Springer bestimmt gefallen“, meint Schneider.

Der Verleger hat Prunkschiffe aus Fayence gesammelt, die im praktischen Einsatz Rotwein enthielten, einen brüllenden Löwen auf einer Schale, die vom Gesamteindruck eher einem kruden Batzen Lehm ähnelt, oder auch die „Wöchnerinnenschale“ für junge Mütter, mit einer dem Kind die Brust gebenden Amme obendrauf. Selbst Engelsfigürchen-Nippes, der schon vor 250 Jahren so aussah, als hätte die Tochter des Hauses im Kindergarten mit Fimo für Mutti zu Weihnachten geknetet, ist dabei.

„Klar ist das nicht alles geschmackssicher“, sagt auch Schneider, „aber mindere Stücke haben für Axel Springer genauso dazu gehört, er war offen für die ganze Vielfalt und der Fayence mit Leidenschaft und Seele zugewandt“. Denn mal ehrlich: „Wenn Sie nicht Feuer und Flamme sind, sammeln Sie Teetische nicht auch noch nach Gestellformen“, so Schneider.

Der harte Knochen Axel Springer – ein sanfter Sammler? Er habe sich wohl über nichts so sehr gefreut, als wenn ein Besucher als Gastgeschenk einen Teller aus der benachbarten Fayence-Manufaktur Kellinghusen mitbrachte, erzählt dazu passend Heinz Spielmann, von 1986 bis 1998 Landesmuseumsdirektor von Schleswig-Holstein.

Allerdings war die Präsentation in Schierensee, so belegen alte Aufnahmen, mal eher von einer Art horror vacui beseelt: Alles hing dicht aufeinander. Was wäre eigentlich passiert, wenn Axel Springer am Ende nicht Friede, sondern Marion Gräfin Dönhoff geheiratet hätte? Sei’s drum: Seine Begeisterung für Fayence hatte wohl schon 1967 begonnen, bei Ausgrabungen auf einem Familiengrundstück in Altona, wo einst eine Fayence-Manufaktur bestanden hatte.

Zudem ergeben sich für Spielmann auch Bezüge zum homo politicus Axel Cäsar Springer: 1968 hatte der Verleger Gut Schierensee gekauft. Das dort aufgefundene Monogramm „CS“, das auch zu Springer passte, verwies auf den Erbauer Caspar von Saldern, der im 18. Jahrhundert die Politik im Ostseeraum zwischen Dänemark, Schleswig-Holstein und Russland durch kluge Diplomatie vorangebracht hatte, bis er 1773 in Ungnade fiel. „Springer sah von Saldern als frühes Exempel für die Einigung Europas, die ja auch ihm am Herzen lag“, sagt Spielmann.

Preistreiber Axel S.

Dazu passt auch wieder die Fayence des Ostseeraums, die aus allen damals beteiligten Staaten stammt. Als Springer sie ab 1970 bis zu seinem Tod 1985 sammelte, lag ihr Preis höher als heute – auch Kunst und Kunsthandwerk sind Moden unterworfen.

Und natürlich gibt es die schöne Anekdote, dass Antiquitätenhändler seinerzeit schon mal die Preise hochsetzten, wenn ruchbar wurde, dass Axel Cäsar Springer auf einer Auktion für den unvermeidlichen Teetisch mitbieten ließ.

Bei aller Galanterie, die auch Springer zu eigen war: Ein interessantes Stück der Gottorfer Fayencen-Sammlung stammt nicht aus seiner Sammlung: Das Bourdalou von 1768 mit der Inschrift „Au plaisir des Dames“ mit Loch im Boden diente höheren Ständen zur körperlichen Erleichterung unterm Reifrock während des Gottesdienstes, falls sich die Predigt mal wieder in die Länge zog und die Blase zwickte.

Es kommt allerdings auch nicht aus dem Ostseeraum – sondern aus der Fayence-Manufaktur Strasbourg.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!