Zukunft der Schiene: Bahn darf weiter Strecken stilllegen
Laut einer Vereinbarung zwischen Bund und Bahn können jährlich bis zu drei Prozent des Schienennetzes straflos stilllgelegt werden. Jetzt gibt es Gerangel um die Bundesmittel.
Das Schienennetz in Deutschland könnte nach der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG weniger geschützt sein als bislang angenommen. Das geht aus dem Entwurf der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bund und Bahn hervor, der der taz vorliegt. So soll möglicherweise ein Fünftel der vom Bund jährlich zugesagten Infrastrukturmittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro der Bahn nicht als Zuschuss, sondern nur als zinsloses Darlehen gewährt werden. Zudem kann die Bahn bei Bedarf bis zu drei Prozent des Schienennetzes - das entspricht etwa 1.000 Kilometer - stilllegen, ohne finanzielle Folgen zu fürchten zu müssen.
Mit der LuFV definieren beide Seiten, wie das Schienennetz aussehen soll. Die Vereinbarung soll zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Rechtlich notwendig für die Privatisierung ist sie nicht. Dennoch drängen die Koalitionsfrakionen auf ihren Abschluss. Hintergrund dürfte der geplante Börsengang der Bahn noch in diesem Herbst sein, bei dem die privatisierungsskeptische Bevölkerung mit dem Infrastruktursicherungsvertrag beruhigt werden soll.
Der Bund will sich verpflichten, jährlich einen Infrastrukturbeitrag in Höhe von 2,5 Milliarden Euro "zur Durchführung von Ersatzinvestitionen in die Schienenwege" zu leisten, heißt es in dem LuFV-Entwurf. Neubauten werden gesondert finanziert. Das Geld "wird jeweils zu 80 Prozent als nicht rückzahlbarer Zuschuss und zu 20 Prozent als zinsloses Darlehen ausgereicht". Diese Aufteilung in Zuschuss und Kredit sei aber noch nicht endgültig entschieden, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums der taz am Mittwoch. Wenig später dann die Rolle rückwärts: Laut einer Agenturmeldung einigten sich die Koalitionsfraktionen darauf, die Kreditklausel zurückzunehmen.
Eine Reduzierung des Infrastrukturbeitrages soll es geben, wenn in einem Jahr die Betriebslänge der Bahnstrecken die Länge der Strecken im Vorjahr "um mehr als 3 vom Hundert unterschreite", heißt es in der LuFV. Anders gesagt: Finanzielle Strafen drohen der Bahn erst, wenn sie mehr als drei Prozent des Schienennetzes stilllegt. Der Verband Allianz pro Schiene ist über diese Klausel empört. "Damit können insgesamt 1.017 Kilometer Schienenstrecke in den kommenden fünf Jahren ohne finanzielle Konsequenzen für die DB Netz AG stillgelegt werden", kritisiert der Geschäftsführer der Allianz, Dirk Flege. Solche Schlupflöcher müssten geschlossen werden.
Das Verkehrsministerium weist diese Kritik zurück. "Die LuFV sieht keinesfalls die Stilllegung von Strecken vor", so ein Behördensprecher. Im Gegenteil müsse die DB AG vor einer geplanten Streckenstilllegung genau nachweisen, dass die Verbindung nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könne.
Weitere Kritik an der LuFV äußert die Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr. Darin fehle die streckenscharfe Festlegung, welche Qualität die Leistungen der Bahn haben müssten, so AG-Geschäftsführer Arnd Schäfer. Die DB AG erhalte damit weitgehend freie Hand, Mittel des Bundes auf das Kernnetz zu konzentrieren und Strecken in der Fläche gezielt zu vernachlässigen oder stillzulegen. "Damit kann der DB-Konzern die Rendite des teilprivatisierten eigenwirtschaftlichen Fernverkehrs steigern."
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