Zu früh gefreut: Iran will weiter Kinder hinrichten
Iranische Jugendliche sollen künftig wegen schwerer Delikte zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Doch für Mord gilt auch weiterhin das Recht auf Vergeltung.

Im Iran werden mehr Jugendliche hingerichtet als in allen anderen Ländern der Welt. Bild: dpa
Iran will künftig auf den Vollzug der Todesstrafe für Jugendliche unter 18 Jahren verzichten. Das verkündete der stellvertretende Generalstaatsanwalt vergangene Woche in Teheran. Alle Gerichte in der Islamischen Republik seien angewiesen, keine unter 18-jährigen Straftäter "ungeachtet der Straftat, die sie begangen haben", mehr hinrichten zu lassen, sagte Hossein Sobhi.
Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Entscheidung. Amnesty International (AI) äußerte sogar die Hoffnung, die Entscheidung werde den Weg für eine vollständige Abschaffung der Todesstrafe im Iran ebnen. AI forderte, den Beschluss umgehend in die Praxis umzusetzen und die Regelungen der Kinderrechtskonvention, die Iran unterzeichnet habe, in Recht umzuwandeln. Dazu zähle auch, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht zu lebenslanger Haft verurteilt werden dürfen. Doch die Freude über die Ankündigung der Staatsanwaltschaft währte nicht lange.
So sei es nicht gemeint gewesen, erläuterte Sobhi am Samstag. Ob ein Jugendlicher, der einen Mord begangen habe, hingerichtet werde oder nicht, entscheide nicht die Justiz. Die Entscheidung liege bei den Hinterbliebenen der Opfer. Das Recht, einen Mörder hinzurichten, beruhe in der islamischen Rechtsprechung auf das Recht der "Vergeltung". Ob nun die Familie des Mordopfers auf der Anwendung dieses Rechts besteht oder sich mit dem Täter über eine Entschädigung einigt, sei eine rein private Angelegenheit der Beteiligten. Dieses Prinzip des "Vergeltungsrechts" gelte auch im Falle der Verletzung oder des Verlusts von Köperteilen. Allerdings versuche die Justiz, den Vollzug der Todesstrafe bei Jugendlichen so lange wie möglich hinauszuschieben, um die Hinterbliebenen zum Verzicht auf die Vergeltung und zur Einigung mit dem Täter bewegen zu können. Was er am Mittwoch verkündet habe, sagte Sobhi, gelte für Straftaten wie Drogenschmuggel. In diesen Fällen werde die Höchststrafe bei "lebenslänglich" liegen.
Laut einer iranischen Menschenrechtsorganisation wurden in den vergangenen zehn Jahren 177 Jugendliche unter 18 Jahren zum Tode verurteilt, von denen 34 hingerichtet wurden. Die restlichen 114 Personen befänden sich in Todeszellen. Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge wurden 2008 sechs Jugendliche hingerichtet, seit 2005 waren es 26 Jugendliche. Im Iran werden mehr Jugendliche hingerichtet als in allen anderen Ländern der Welt.
Leser*innenkommentare
Gabi
Gast
@Gerald,
nein, ich will nichts relativieren. Im Gegenteil, ich will es ansprechen.
Manchmal fällt es mir nicht leicht, das gebe ich zu.
Ich habe auch nicht die Griechen gemeint. Das waren ja hoffentlich nur die Anfänge der Demokratie.
Mit der Demokratie, die in unserem heutigen Sinne ist, hatte das wohl nicht viel am Hut. Obwohl man sagen muss, dass der "Lobbyismus" noch immer daran arbeitet, die alte griechische Demokratie wiederzubeleben.
Pas Materski
Gast
Nicht in der Statistik sind im Moment wohl
Fälle die nicht von der Regierung überwacht sind.
Leute schallten und walten wie sie wollen die Dunkelziffer ist sehr Hoch, und die Situation bitter, sehr bitter...
Samagon
Gast
Mord und Todschlag sind ja nach der Scharia „Antragsdelikte“ – wenn keiner klagt, gibt es auch keinen Mörder. Die wirklich schweren Verbrechen, für die die meisten Todesstrafen verhängt werden sind „Abfall vom Glauben“, „Gotteslästerung“, „Homosexualität“, „Ehebruch“ und „Hexerei“. Aber in den USA gibt es ja auch die Todesstrafe – und da werden sogar Unschuldige auf besonders grausame Weise mit Giftspritzen oder elektrischen Stuhl hingerichtet, während im Iran die zu Hängenden sanft mit einem Baukran angehoben werden, um den vorzeitigen Tod durch Genickbruch auszuschließen.
Angelo
Gast
und die römisch-katholische Kirche? Kein Wort!
Versteher
Gast
Islam heißt Frieden! Steinmeier + Roth schütteln den Friedvollen die Hand, und taz versteht.
Gerald
Gast
> Das gibt es auch im Vaterland der Demokratie!
In Griechenland??? Ich dachte,die sind in der
EU und haben die Todesstrafe abgeschafft?
Nein, Scherz beiseite: Egal wo es sonst noch auf der Welt furchbare Zustände gibt, wieso sollte dadurch irgendetwas relativiert werden?
Ein Unrecht und noch ein Unrecht sind zweimal Unrecht und nicht keinmal.
Gabi
Gast
Was soll man sagen?
Das gibt es auch im Vaterland der Demokratie!
Leider!