Ein moralisches Angebot : Zu Füßen von Brecht
Letzten Sonntag auf dem Bertolt-Brecht-Platz, ich las gerade in einem Hannah-Arendt-Buch, da traf mich seine Stimme. „Hallo, darf ich dir…“ – ich will schon automatisch Nein sagen. Nein zu Jehova, Nein zu billigem Gras von unbekannten Leuten, überhaupt Nein. „…darf ich dir ein Buch mit Öko-Märchen vorstellen?“ Bitte? „Ich bin Manfred Hueber, ich habe ein Buch geschrieben, das ist eine Neuversion von Pinocchio, mit ökologischen Themen, ein bisschen lustig und ein bisschen philosophisch.“ Scheiße, denke ich: Öko und Philosophie. Ich muss zuhören. Also erzählt Manfred, wie er dieses Buch geschrieben hat, das er nun im Selbstverlag herausbringt. Ich betrachte das Buch. Bunter Umschlag mit Kinderzeichnung, Umweltpapier, 240 Seiten. Ich betrachte den Typen: lange Haare, lumpige Klamotten, Baumwollbeutel. (Na gut, so lauf ich ja auch manchmal rum.)
Was er erzählt, klingt interessant. Bücher, die philosophische Themen irgendwie nett verpacken, finde ich ja meistens toll, und Ökozeug sowieso. Soll neun Euro kosten. „Hmmm, das klingt gut, weißt du, aber ich hab kein Geld mit“, sage ich, und es ist noch nicht einmal gelogen. Ich war wirklich nur zum Lesen und Draußensitzen rausgegangen. „Ja, kein Problem, ich kann dir das Buch auch so geben und du schickst mir das Geld dann bei Gelegenheit mit der Post.“ Hui, denk ich. „Ich geb dir mal nen Euro, dann kannst du mir einen glatten Zehner zurückschicken.“ Er drückt mir eine Euromünze in die Hand und freut sich ganz offensichtlich an meinem Interesse. „Na ja, und wenn es dir nicht gefällt, schickst du es mir eben wieder zurück.“ Da kann ich dann nicht mehr viel sagen.
Auf der anderen Seite der Brecht-Statue sitzt ein Pärchen und diskutiert seit einer halben Stunde irgendwas Emotionales. „Hallo, ich bin Manfred Hueber, darf ich…“ – „Nein, danke.“ So läuft es wohl meistens.
MARGARETE STOKOWSKI