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Archiv-Artikel

Zombies im Manageranzug

Anzüge, die automatisch Meldung an das Büro machen, wenn sein Träger zu lange im Park sitzt: Im Wolfsburger Kunstverein präsentiert Kurator Justin Hoffmann eine Ausstellung zu „work fiction“ – Visionen der Arbeit in Kunst, Film und Populärkultur

Menschen, die sich wie ferngesteuerte Zombies durch die Gegend bewegen, Wände, aus denen eine schwarze Flüssigkeit quillt – die Videoarbeit der Künstlergruppe bankleer aus Berlin zeichnet ein düsteres Bild der Zukunft. Justin Hoffmann, Kurator der Ausstellung „work fiction“ im Wolfsburger Kunstverein, hat zehn Künstler und Künstlergruppen geladen, die ihre Visionen von der Zukunft der Arbeit vorstellen. Den Arbeiten stellt er populäres Science-Fiction-Material gegenüber: Filmbilder etwa, Musikclips oder CD-Cover. Der Brückenschlag zwischen so genannter hoher und populärer Kunst ist Hoffmann, der selbst in einer Popband spielt, ein Anliegen: vieles, was als hochkulturell gelte, die Oper etwa, sei recht unbeweglich geworden, drohe zu erstarren. Die oft geschmähte Popkultur könne da frischen Wind; neue Ideen hineintragen. Viele bildende Künstler, sagt Hoffmann, öffnen ihr Arbeiten für solche Einflüsse.

Zum Beispiel Annette Wehrmann, die sich schon seit längeren mit fliegenden Untertassen beschäftigt, und zur Wolfsburger Ausstellung eine UFO-Skulptur beiträgt. Der Arbeiter im Raumschiff hat, so Hoffmann, zu tun mit der Vision permanenter Mobilität, wie sie die Zukunft vielleicht von uns erwartet.

Manchmal ist diese Zukunft erstaunlich nah. So schlichen sich Mitglieder der Künstlergruppe The Yes Men in eine Konferenz von Bekleidungsherstellern ein, um dort einen erfundenen Freizeitanzug für Manager vorzustellen: der ist nicht nur bequem, sondern er gibt auch automatisch Meldung an das Büro, wenn sein Träger zu lange im Park sitzt und folglich zu wenig arbeitet. Der Künstlerwitz wurde als ernsthafter Vorschlag verstanden und diskutiert; verrückt schien ein solches Kleidungsstück keinem der Hersteller. In Thomas Ravens Bleistiftzeichnungen futuristischer Stadtansichten verstecken sich, Relikt geworden, politisch relevante Architekturen der Gegenwart. Möglicherweise Kurs auf eine bessere Welt nimmt Oliver Resslers Arbeit: Ein Flugzeug hat statt Bomben Zettel abgeworfen, auf denen Theorien für alternative Demokratie-Konzepte festgehalten sind. Das Flugzeug ist nur per Video zu sehen, die Zettel allerdings bedecken den Boden des Raumes, und der Besucher kann sich einen Denk- und Demokratieanstoß mit nach Hause und zu Herzen nehmen, damit seine Enkel einst keine Zombies im Manageranzug werden.

Die Ausstellung begleitend wird im Kulturzentrum Hallenbad jede Woche ein Science-Fiction-Film gezeigt. Des Weiteren wird es im Schloss Wolfsburg eine Podiumsdiskussion geben, in der Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft sich mit den in der Ausstellung entworfenen Visionen auseinandersetzen. Justin Hoffmann, der auch schon Ausstellungen mit Kunst und Comics, mit Kunst und Computerspielen kuratierte, will ein breites Publikum ansprechen. Durch die vielen interessanten Künstler und Positionen hat dieser Brückenschlag gute Aussichten zu gelingen. HANNES LEUSCHNER

bis 4. November im Kunstverein Wolfsburg