Zivilgesellschaft in Israel: "Die Weltlichen sind jetzt aufgewacht"

Ram Vromen kämpft gegen den Vormarsch der Religiösen in Israel. Er freut sich über die Proteste gegen die radikalen Ultraothodoxen. Diese sind einfach zu weit gegangen, sagt er.

Demo gegen religiöse Fanatiker in Beit Scheschem. Bild: dapd

taz: Herr Vromen, am Dienstagabend gingen tausende Menschen auf die Straße, um gegen den religiösen Vormarsch zu demonstrieren. Sind Sie damit zufrieden oder kommen die Reaktionen zu spät?

Ram Vromen: Es ist wirklich aufregend zu sehen, dass sich nach so langer Zeit endlich so viele Leute für die Freiheit, die Befreiung von der Religion, starkmachen. Ich glaube, dass die ultraorthodoxen Charedim in letzter Zeit eine Radikalisierung erleben. Sie glauben, dass sie über politische Macht verfügen. Sie sind zu weit gegangen. Das hat dazu geführt, dass die Weltlichen aus ihrem Phlegmatismus aufgewacht sind. Es geht nicht länger um eine theoretische Debatte, sondern um eine politische Kraft, die das Land in Richtung eines religiösen Halacha-Staates zu ziehen versucht.

Auslöser für die Demonstration war eine Reihe von frauenfeindlichen Übergriffen. Halten Sie die religiöse Vertreibung der Frau aus der Öffentlichkeit für das größte Problem?

Mit den frauenfeindlichen Übergriffen ist eine rote Linie überschritten worden. Hier können wir sehen, was passiert, wenn wir untätig bleiben. Heute ist die Rede von Frauen, vielleicht sogar nur von denen, die in den sogenannten koscheren Buslinien fahren. In der Armee gibt es Einheiten, die ultraorthodoxe Männer auf die Integration in den zivilen Arbeitsmarkt vorbereiten sollen. Um die ultraorthodoxen Soldaten in diese Einheiten unterbringen zu können, müssen die weiblichen Soldaten, die bisher ihren Dienst hier geleistet haben, in anderen Einheiten untergebracht werden. Die Armee richtet sich ein auf die Bedürfnisse der Ultraorthodoxen. Das ist ein gefährlicher Prozess.

Wie organisiert sich der zivile Widerstand?

Wir haben Internetforen und veranstalten Diskussionsabende. Wir arbeiten daran, unsere Kräfte zu vereinen, um eine Chance zu haben. Es gibt immer mehr Leute, die sagen: So geht es nicht weiter.

Auf der Demonstration in Beth Schemesch waren auch viele religiöse Menschen.

Es gibt Leute, die sagen, Religion ist unsere Privatsache, aber wir wollen in einem liberalen Staat leben. Das sind natürlich potenzielle Partner für uns. Es spielt keine Rolle, ob einer eine Kipa auf dem Kopf trägt, sondern es geht um ideologische Gemeinsamkeiten, darum, ob du in einem religiös-fundamentalistischen Staat leben willst oder in einem liberalen. Im Übrigen gibt es auch unter den Charedim einige Leute, die denken, dass ein Teil ihrer Gemeinden zu weit gegangen ist. Auch mit denen könnten wir zusammenarbeiten, obwohl wir zuallererst die Weltlichen repräsentieren

Was wollen Sie von der Politik?

Die Parteien sollten verstehen, dass sie von einer großen liberalen Öffentlichkeit gewählt wurden. Es wird Zeit, sie entsprechend zu repräsentieren.

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