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Zentrale Datenbank gegen BiobetrugDas Fleisch soll ins Netz

Die Branche reagiert mit einer Datenbank auf die Biofleisch-Skandale. Das System informiert Kunden automatisch, wenn ein Bauer das Biosiegel verliert.

Es geht mal wieder um die Wurst. Bild: MMchen / photocase.com

Die Biolebensmittel-Branche zieht Konsequenzen aus den Betrugsfällen mit ungültigen Öko-Zertifikaten: Am Freitag wollen neben anderen der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) als Dachverband und Kontrollstellen die internationale Datenbank-Firma bioC gründen. Sie soll ab 1. Januar die Daten von Betrieben speichern, die gültige Zertifikate haben.

"Wenn zum Beispiel ein Bauer seine Zertifizierung verliert, informiert das System automatisch per E-Mail die Molkerei", sagte Agraringenieur Rolf Mäder des beteiligten Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Anders als beim Vorläufermodell der Datenbank werde nun auch die einzige niederländische Kontrollstelle Skal ihre Informationen einspeisen.

Die privaten Kontrolleure überprüfen im Auftrag des Staates, ob sich Biobetriebe an die EU-Ökoverordnung halten. Danach dürfen Bauern etwa keine umweltschädlichen Pestizide und Mineraldünger verwenden. Bestehen die Landwirte die Prüfung, bekommen sie ein Zertifikat. Nur damit dürfen sie ihre Ware als "bio" verkaufen.

Da die Dokumente auf Papier ausgestellt werden, lassen sie sich leicht fälschen und missbrauchen. Zuletzt benutzte der italienische Schweinemäster Paolo Zaccardi Kopien seines Zertifikats weiter, nachdem ihm die Zertifizierung entzogen worden war. So konnte er für mindestens 1 Million Euro billiges konventionelles Fleisch als teure Ökoware nach Deutschland liefern, ohne dass seine Kunden etwas bemerkten. "Die Geschichte mit Italien hat gezeigt, wie wichtig eine Plattform ist, auf der sich die aktuellen Zertifizierungsdaten abrufen lassen", erklärt Datenbank-Experte Mäder.

Zwar gibt es schon Onlinesysteme, in denen man sich über aktuelle Öko-Zertifizierungen informieren kann. "Aber das hatte nicht die breite Akzeptanz", sagt der Vorsitzende des BÖLW, Felix Prinz zu Löwenstein. An das Vorläufermodell der bioC etwa liefern nur 13 der 22 in Deutschland zugelassenen Kontrollstellen sowie drei für Österreich und zwei für Luxemburg ihre Daten. Bei dem neuen System werden es Löwenstein zufolge mehr, da sich auch der BÖLW als Dachverband an dem Projekt beteilige. "Wir befürworten, dass man das auf ganz Europa ausweitet."

Im Zuge der Firmengründung kamen neben der niederländischen eine deutsche und zwei österreichische Kontrollstellen dazu. Weitere dürften bald folgen: In E-Mails an die taz erklärten sich sowohl der größte italienische Zertifizierer ICEA als auch Österreichs Nummer eins, Austria Bio Garantie, bereit, ihre Informationen in einer EU-weiten Datenbank zu speichern.

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8 Kommentare

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  • JL
    Joachim Löber

    ZERTIFIKAT

     

    Wenn einem Bio-Betrieb das Zertifikat aberkannt wird,

    kann der Bauer das Papierzertifikat noch bis zum Ablauf kriminell nutzen.

    Ein bioc Warnsystem ist Wunschdenken!

    Auf dem Link der zertifizierten Betriebe von den Kontrollstellen erscheint nur: Kein Zertifikat vorhanden. Aber den Betrieb zu finden ist in meinem Fall schon unmöglich.

    Joachim Löber

  • KD
    Klaus der Geiger

    Wofür Listen und Historien? Mich interessiert, ob der Betrieb oder das Restaurant, wo ich hingehe, aktuell biozertifiziert ist.

    Der Rest - die Historie - erledigt BioC über ein Warnsystem: Dann, wenn einer sein Zertifikat verliert, erfolgt eine automatische Mitteilung an alle Abnehmer.

  • KD
    Klaus der Geiger

    Das stimmt. Ich kann den Betrieb von Herrn Löber nicht finden. Nicht in der Datenbank www.bioc.info und auch nicht bei den Datenbanken nicht teilnehmender Öko-Kontrollstellen. Auch auf seiner Homepage www.blumenscheune.de steht nichts von bio. Komisch, da frage ich mal bei der Überwachungsbehörde nach.

  • JL
    Joachim Löber

    Nach dem Ökolandbaugesetz müssen die 23 privaten Zertifizierungsstellen ihre geprüften Bio-Betriebe im Internet veröffentlichen.

    13 Zertifizierungsstellen tun dies freiwillig und dennoch sehr verschlüsselt, auf der bioc Seite.

    Freiwillig und private Kontrollstellen ist schon der falsche Ansatz.

    Sollten sie auf der Seite einer Zertifizierungsstelle ihren gesuchten Bio - Betrieb wirklich finden, so können sie nur die Ist-Situation feststellen.

    Zum recherchieren muss die Veröffentlichung in Listenform über Jahre ersichtlich angelegt sein. Es muss nachvollziehbar sein - wann welcher Betrieb in welchem Zeitraum an welchem Standort unter welcher Rechtsform ein Zertifikat besessen hat. Zurzeit ist hier der Kriminalität im großen Stil Tor und Tür geöffnet.

    Lieber Verbraucher suchen Sie bitte mal meinen Biobetrieb - der seit 30 Jahren biologisch bewirtschaftet wird und noch nie die Kontrollstelle gewechselt hat! Mein Name: Joachim Löber PLZ:34311

    Sie werden nichts finden!!!

    Weiterhin könnte ich die Kontrollstelle jährlich wechseln, was ein recherchieren über einen längeren Zeitraum fast unmöglich macht.

  • KD
    Klaus der Geiger

    Bio muss man bewusst und nicht bewusstlos einkaufen. www.bioc.info hilft dabei, denn jede® kann schauen, wer in seiner Region echtes Bio anbietet - vom Bauern bis zum Restaurant.

  • J
    Jost

    zu Fälscher:

    Sie haben den Artikel falsch verstanden. Die Datenbank ist nicht für Verbraucher gedacht, sondern z.B. für Firmen, die Bioprodukte kaufen. Etwa für Molkereien, die von Biobauern Milch beziehen (dieses Beispiel steht gleich im ersten Absatz).

    Wie Sie darauf kommen, dass die Datenbankaktion "nix aussagt als das (sic) alles schon Normalität mit den Betrügern ist", ist mir ein Rätsel. Vielleicht sollten Sie Texte mal genauer lesen, bevor Sie sich in aller Öffentlichkeit über den Inhalt äußern.

  • F
    Fälscher

    darf ich da mal lachen? Also ich ess ganz "normal", da kann ich nur alles verkehrt machen. Wie soll ich es mir auch leisten, vor´m Einkauf im Internet stundenlang nach den koscheren Bios zu ermitteln. Um dann auch noch beim richtigen Bäuerlein einzukaufen. Oder wie war das jetzt gemeint?

    Ich finde, damit hat die Branche sich selbst ganz schön geschädigt, auch mit so einer Internet-Aktion, die ja eigentlich nix aussagt als das alles schon Normalität mit den Betrügern ist. Aber wie sollte es da auch anders sein wie im Rest des Lebens. Irgendwie verführt es wohl einfach, ab einer bestimmten Größe des Betriebes immer mehr ganz schnell nachzuschieben. Geld regiert die Gier.

  • M
    mikeondoor

    ...mal abgesehen, dass fleisch als nahrungsquelle immer fragwürdiger wird (oder habt ihr schon mal selber nen kleinbullen oder babyschwein geschlachtet?) - gerade bei dieser sensiblen ware sollte man genau wissen, woher sie kommt. wenn´s schon was sein muss, was sich vorher "eigenständig bewegt" hat, holt euch doch das zeugs vom regionlen anbieter oder einem naturkostladen, der auch den erzeuger persönlich kennt... (das gilt ja eigentlich auch immer mehr für alle anderen produkte, denn:

    durch den preisdruck der ketten gehen selbst überzeugte und idealistische produzenten in die knie - was natürlich die situation nicht beschönigen soll...

    im endefekt: der verbraucher bestimmt, was produziert wird, jo, soisses :-)