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Zeitungen verzichten auf DienstleisterNachrichtenagenturen unter Druck

Nachrichtenagenturen stehen durch Internet und Medienkrise unter Druck wie noch nie. Immer mehr Blätter verzichten auf die teuren Dienstleister.

451 Redakteure arbeiten bei der dpa - aber nicht alle in der Hamburger Zentrale. Bild: dpa

Am 2. April setzte Wolfgang Büchner eine Meldung in seinem privaten Twitter-Account ab: "In eigener Sache: Ich wechsle früher zur dpa. Mein erster Arbeitstag dort ist der 1. Juli 2009. Schöne Grüße in den Mittelweg!"

Hier gilt wie kaum sonst die Plattitüde: Das Medium ist die Botschaft. Denn Spiegel-Online-Chef Büchner soll die eingerostete führende deutsche Nachrichtenagentur in die Welt der multimedialen Nachrichtenvermittlung führen. Da passt es gut ins Bild, dass der neue Chef sich per Kurznachricht ankündigt.

Und auch die Personalie an sich ist bemerkenswert: Da holt sich die Deutsche Presse-Agentur den Chefredakteur jenes Dienstes ins Haus, der ihr große Sorgen bereitet. Seit Jahren klicken sich Redakteure nämlich nicht mehr durch Tickermeldungen, wenn sie wissen wollen, was auf der Welt los ist und für ihre Zeitungen oder Sendungen wichtig. Sie werfen einen schnellen Blick auf Spiegel-Online.

Weil so heute alle relevanten Nachrichten für jedermann per Mausklick erreichbar sind, stehen Nachrichtenagenturen unter Druck wie nie. Wer braucht schon teure Dienstleister, wenn die Nachrichtenlage im Netz für alle kostenfrei und zudem zuverlässig abgebildet wird?

Die dpa leidet bereits unter dieser Debatte, die mit den wegbrechenden Werbeerlösen und dem zunehmenden Leserschwund an Fahrt gewinnt: Zum Jahresbeginn hat der Essener WAZ-Konzern gleich für mehrere Titel die Verträge mit dpa auslaufen lassen. Auch die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, die auflagenstärkste Regionalzeitung der Republik, muss sich seitdem aus Meldungen anderer Agenturen speisen, etwa der Agence France Presse und dem Deutschen Depeschendienst.

Die sind zwar günstiger, bieten aber vor allem aus dem Inland weniger Inhalt: Während dpa hierzulande 50 Korrespondentenbüros betreibt, kommt der ddp immerhin auf 21, AFP aber gerade mal auf elf. dpa-Chefredakteur Wilm Herlyn, der von seinem künftigen Stellvertreter Büchner spätestens zum Jahresende abgelöst werden soll, sagt: "Für uns ist nicht der Journalismus der Agenturkollegen die Gefahr, sondern der Preis."

Immer mehr Redaktionen überlegen, an Agenturen zu sparen. Und wer wie dpa ein "Grundrauschen" aus den Bundesländern bieten muss, weil das wiederum von vielen Verlagen als dpa-Gesellschafter noch immer verlangt wird, steht im Zweifel zur Disposition. Die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine testet derzeit in einem sechswöchigen Versuch, ob sie ohne dpa kann. Bei der Agentur wundern sie sich, dass die Redaktion sie sogar anwies, vorerst gar keine Meldungen mehr zu schicken. Das Blatt kann so noch nicht einmal sehen, was sie in der dpa-freien Zeit verpasst hat.

Die dpa, eine von Verlegern genossenschaftlich geführte Agentur, sieht sich aber auch von ihren Konkurrenten mehr denn je bedroht: Der hiesige Ableger der Associated Press dünnt seine Länderberichterstattung seit Jahren schleichend aus, um sich auf Auslandsberichte zu konzentrieren. Die liefert dpa zwar auch, hat da aber gegen international aufgestellte Dienste keine Chance. Und der ddp, der es nach Jahren der drohenden Pleite wieder in die Gewinnzone geschafft hat, baut analog dazu seine Büros in den Bundesländern aus.

In keinem anderen Land der Welt gibt es so viele Nachrichtenagenturen wie in Deutschland. Zu dpa, ddp, AP und AFP kommt noch Reuters als Wirtschaftsdienst, der Sport Informations Dienst (eine AFP-Tochter) und die kirchlichen Fachdienste epd und KNA. Die Gefahr für die dpa: Wie mit Puzzlestückchen können sich Redaktionen aus dem riesigen Angebot ein eigenes zusammenbauen, um den teuren Marktführer zu ersetzen.

Dabei hat die Diskussion jedoch auch eine ganz andere Dimension: Bleibt die Gesellschaft so gut informiert, wie das bisher der Fall ist, wenn nach der WAZ auch weitere große Kunden dem Marktführer den Rücken kehren und der dann irgendwann beginnen müsste zu schrumpfen? Immerhin hat dpa noch immer 451 Redakteure. Das versetzt sie in die privilegierte Lage, auch in vermeintlich abgelegenen Winkeln wie Koblenz, Konstanz und Kassel Reporter vorzuhalten. Für das "Grundrauschen", aber auch den Fall der Fälle - Stichwort: Verlässlichkeit.

Um einem wirtschaftlich getriebenen Bedeutungsverlust entgegenzuwirken, arbeitet die dpa daran, ihr Korrespondentennetz besser zur Geltung kommen zu lassen: Bevor Herlyn geht, will er seinen Reportern kleine Kameras in die Hand drücken. Ob Unfälle oder neues Eisbärenbaby: Die dpa will den Internet-Ablegern ihrer Kunden künftig Videos liefern - bunte Geschichten statt dröge Politik.

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5 Kommentare

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  • J
    Jdoe

    @ stefan: Je mehr Redaktionen/Verlage deiner schlichten These folgen, desto eher ist dpa pleite. Dann allerdings stehen die, die Inhalte klauen ebenso wie die, die noch als letzte die Nachrichtendienstleistung bezahlt haben, ohne den Dienstleister da. Und damit vor der Frage, warum da plötzlich keiner mehr 24 Stunden am Tag berichtet aus Nairobi, Sydney, Bukarest, Bogota, Oslo, Kabul und wie die Orte alle heißen, in denen sich kein halbwegs wirtschaftlich denkender Verleger einer Regionalzeitung ein Korrespondentenbüro leisten kann, wo aber dennoch gelegentlich etwas Wichtiges passiert. In Washington, Moskau, Peking haben noch viele einen oder zwei Korrespondenten sitzen, nicht selten "gepoolt", also für ein halbes Dutzend Zeitungen schreibend, die von der Tendenz her so einigermaßen zueinander passen. Was in der journalistischen Praxis oft auch keine besonders guten Resultate zeitigt. So oder so: Dann müssen die Flugzeuge künftig aber bitte genau dort abstürzen, die Erdbeben dort passieren und die Regierungen dort zurücktreten.

    Um es für dich einfacher zu machen: Würden Supermärkte so weit leergeklaut, dass sie dauerhaft Verlust machen, müssten sie irgendwann ebenso schließen wie ein Unternehmen, das Rechercheleistungen verkauft. Du kannst aber nicht mehr klauen, wenn dein Supermarkt wegen des Klauens pleite gemacht hat. Das kann noch nicht einmal die WAZ-Gruppe. Du musst dir folglich eine eigene Kuh anschaffen, einen Acker, Saatgut, tunlichst ein paar Gerätschaften, Gebäude sind auch ganz praktisch. Alternative: nicht mehr essen.

  • R
    reblek

    "Das Blatt kann so noch nicht einmal sehen, was sie in der dpa-freien Zeit verpasst hat." Auch eine Art von Feminismus: "Das Blatt" ist eine "sie".

  • S
    stefan

    zahlt aber doch nur spon einmal für. wer kopiert, nicht. siehe: der westen.

  • J
    Jdoe

    Ein bisschen mehr sollte man schon wissen, wenn man über das Thema schreibt.

    "Seit Jahren klicken sich Redakteure nämlich nicht mehr durch Tickermeldungen, wenn sie wissen wollen, was auf der Welt los ist und für ihre Zeitungen oder Sendungen wichtig. Sie werfen einen schnellen Blick auf Spiegel-Online."

    Ja. Und dessen Redakteure klicken sich tagtäglich durch Tickermeldungen. Der Agenturanteil auf SPON ist sehr hoch. Vielleicht einfach mal bis ans Ende der SPON-Meldungen scrollen. Da stehen so lustige Kürzel: dpa, AP, AFP, Reuters...

     

    "Wer braucht schon teure Dienstleister, wenn die Nachrichtenlage im Netz für alle kostenfrei und zudem zuverlässig abgebildet wird?"

    KOSTENFREI? Und die Nachrichten fallen vom Himmel direkt ins Netz, so ganz ohne journalistische Dienstleister? Lauter Ehrenamtliche, die aus Langeweile mal eben nach Afghanistan fliegen oder im Gazastreifen filmen? Aua. Ich hoffe, der Kollege Bouhs hat diesen Unsinn kostenfrei verzapft.

  • S
    Schlips

    Bunte Geschichten - oh Schreck! Als würde unsereins nicht bereits hinreichend vom neuen Erzähl-Jounalismus genervt, von der Form der Weitergabe. Bevor ich als Leser endlich erfahre, worum es denn nun geht, muss ich mir nur allzu häufig erst mal das Äußere der Beteiligten zu Gemüte führen, von der Frisur über den bunten Schlips bis hinunter zum Schuhwerk. Dann ist der Kaffee kalt. Das Interesse gleichfalls. Aus. Keine Lust mehr. Dies als kleines Beispiel - und bitte nicht als Anbiederung verstehen: Die taz zählt da bislang zu den rühmlichen Ausnahmen. Nicht aufgeben, bloß nicht!