Zeit des Schenkens: Spätkauf
Noch keine Ideen für Weihnachten? Die Kulturredaktion der taz hilft mit Last-Minute-Geschenktipps: Von Stirnlampen über Zelte bis hin zu wirklichem Zusammensein.
Ein schöner Schirm, ein starkes Zeichen
Last-Minute-Geschenke sind Gesten der Verlegenheit. Duftkerzen, Präsentkörben in Cellophan oder Abreißkalendern für die Gästetoilette sieht man den Akt der Notwehr, dem sie sich verdanken, immer an: Ich wollte nichts schenken, aber ich musste. Umgehen kann dieses Dilemma nur, wer es dezidiert ausstellt. Und was eignete sich für diese heikle symbolische Operation besser als ein Schirm?
Schirme verschenkt man nämlich nicht. Schirme hat man. Dem Schirm ist die Seinsbestimmtheit als Nicht-Geschenk gleichsam ins bemäntelte Gestell eingeschrieben. Und zwar nicht nur, weil er so sehr Funktion ist, dass sein ästhetischer Überschuss (Mary Poppins, John Steed, Der fliegende Robert) dagegen verblasst. Oder weil man ihn nicht überreichen kann, ohne sich gründlich lächerlich zu machen.
Wie Aschenbecher, Feuerzeuge, Handschuhe, Kugelschreiber oder Schals gehört der Schirm zu einer Art unerklärtem Allgemeingut. In Istanbul werden Schirme bei einsetzendem Regen für ein geringes Handgeld auf offener Straße verteilt. Nach Gebrauch lässt sie jeder irgendwo stehen. Für die Nächsten. Wer Schirme schenkt, setzt ein starkes Zeichen: Warum verschenken, was sowieso schon allen gehört?
Ingo Arend
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Die Stirnlampe
Zu den schönsten Erfahrungen, die ich im Jahr 2011 machte, gehörte eine mehrtägige Wanderung durch das Hochland von Nordäthiopien. Sie führte von dem Städtchen Lalibela aus hinauf auf mächtige Tafelberge, an Steilhängen entlang, durch kleine Dörfer, vorbei an ziegenhütenden Kindern, Felskirchen aus dem 13. Jahrhundert, notdürftigen Gesundheitsposten und der ein oder anderen Pavianherde. Ziel war der Gipfel des Abuna Yoseph.
Doch weil es bis auf eine Höhe von 3.900 Metern hinabgeschneit hatte, wurde daraus nichts. Stattdessen besuchte ich an einem kalten, regnerischen Märzmorgen eine Schule; der Chemielehrer war so freundlich, mich dem Unterricht beiwohnen zu lassen. Strom, fließendes Wasser und Straßen gibt es im Hochland von Lalibela nicht.
Ein wichtiges Utensil war deshalb eine Stirnlampe, die mir nach Einbruch der Dunkelheit half, den Weg von der Gemeinschaftshütte zum Schlafquartier und zum Klohäuschen zu finden und die Abende mit der Lektüre von Tayeb Salihs "Season of Migration to the North" zu verbringen. Auch nach der Rückkehr in die Hauptstadt Addis Abeba leistete mir die Lampe gute Dienste, denn der Strom fällt dort oft aus, manchmal über mehrere Stunden hinweg.
Wer also Freunde oder Familienangehörige hat, die in Weltgegenden reisen, wo Elektrizität keine Selbstverständlichkeit ist, macht mit einer Stirnlampe nichts falsch. Was den Preis betrifft, so sind Sie ab 10 Euro dabei; besonders hochgerüstete Exemplare schlagen mit mehreren hundert Euro zu Buche. Mein Modell kostete um die 40 Euro und hatte alles, was ich brauchte: genug Helligkeit, um mich im Dunkeln durch die Camps zu bewegen, einen Dimmer zum Energiesparen und ein rötliches Leselicht, damit das von den Buchseiten rückstrahlende Licht nicht blendete.
Cristina Nord
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Mit dem Kajak gehts immer geradeaus
Der allererste Tag, den ich in der mecklenburgischen Seenplatte verbrachte, war lustig, beziehungstechnisch fruchtbar - aber in sportlicher Hinsicht schwierig. Wir hatten uns ein Kanu gemietet. Zwei jetzt nicht ganz doofe Menschen, jeder ein Paddel, dazu Sonne, romantische Seen und ein robustes Boot. Nichts einfacher als das. Also ohne weitere Anleitung losgepaddelt! Dachten wir. Nur wie das mit dem Steuern so eines Kanus wirklich funktioniert, haben wir dann den ganzen Tag nicht mehr richtig herausgefunden. Bei einem Kanu fehlt ja das Steuerrad, alles muss man mit dem Paddel machen, am besten noch koordiniert.
Jedenfalls sah das bei Johnny Depp in "Dead Man" deutlich eleganter aus. Wir landeten alle 200 Meter in der Uferböschung und hatten viel Gelegenheit, die Meckerqualitäten des jeweils anderen zu studieren: "Nun stell dich nicht so an!" - "Das musst du so machen!" - "Mit dir kann das ja auch nichts werden!" Ein Kanu ist für Ungeübte ein guter Test, um auszuprobieren, ob man wirklich zusammenbleiben möchte.
Mit einem Kajak ist das ganz anders. Es gibt ein Steuerruder, das man mit den Füßen bedient. Wenn es mit der Koordinierung der Paddelschläge nicht ganz klappt, ist das auch kein Problem: Halbwegs geradeaus kriegt man immer hin. Wirklich wahr, Kajak fahren ist ganz toll! Man gleitet übers Wasser und fühlt sich bald wie mit der Natur verwachsen. Und der Muskelkater am Abend erinnert einen daran, was man tagsüber geleistet hat. Nun sind Kajaks nicht ganz billig: 1.161 Euro kostet etwa das Cruiser II von Prijon, in dem wir unterwegs waren. Aber erstens kann man ja auch Gutscheine für Kajaktouren schenken. Drei-Tage-Tour zu zweit im Mecklenburgischen inklusive Wanderkajakmiete und Campingplatz: etwa 80 Euro. Und zweitens tut es auch so ein formschöner Kajaksack - die, die man erst zurollen und dann zuklippen muss. Zwischen 20 und 200 Euro. Gute Fahrt!
Dirk Knipphals
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Modell der Zukunft: der Bürgerpark
Vor wenigen Tagen flatterte mir die folgende Aufforderung in mein Mailpostfach: "Schenken Sie doch zu Weihnachten ein krisensicheres Mauerpark-Zertifikat! So unterschiedliche Zeitgenossen wie zum Beispiel Gregor Gysi, Jens-Holger Kirchner, Volker Ratzmann und Stefan Liebich konnten der Versuchung nicht widerstehen - das könnte auch etwas für Ihre Lieben sein, mehr dazu hier: Welt-Bürger-Park (www.welt-buerger-park.de/index.php?id=2)."
Gute Idee. Für hundert Euro pro Quadratmeter kann man Einlagen bei der Mauerparkstiftung Welt-Bürger-Park in Berlin tätigen, um so eine Erweiterung des bestehenden Mauerparks voranzubringen. Mit dem Geld sollen angrenzende und derzeit gewerblich genutzte Flächen erworben und der Park so erweitert werden.
Der Mauerpark ist in seinem bestehenden Abschnitt eine Grünanlage zwischen Wedding und Prenzlauer Berg. Er wurde nach 1989/90 auf dem ehemaligen Grenzstreifen errichtet und gehört zu den meist frequentiertesten Grünanlagen in Berlin. Auch wenn Sie nur als Tourist nach Berlin kommen oder nur Ihre Kinder hier studieren: Die Investition lohnt sich. Dem Stiftungsrat gehören neben Exsenator Hassemer (CDU), Grünen- und Linkspartei-Politikern auch so unbestechliche Persönlichkeiten wie taz-Redakteur Peter Unfried an.
Andreas Fanizadeh
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Traumatherapie für das Gemeinwohl
Ich war zwölf, als meine Eltern mich mitnahmen in ein Nudistencamp. Zwölf, das heißt Pubertät und das heißt, der Körper ist dein Feind. Und dann so was. Lauter freundliche Nackte. Ich glaube in der Psychoanalyse nennt man das identifizierende Projektion, aber der Camper, ob nackt oder angezogen, er wurde fortan zu meinem Hassfetisch. Und das Zelt, es wurde zum Symbol des Freizeitlers, ein lächerliches Refugium, in dem die Arbeit noch als Gespenst erscheint.
Als ich entscheiden konnte, später, machte ich, wenn überhaupt, nur noch Urlaub in der Stadt. Im Hotel. Klar. Bis zu diesem Sommer. Er sollte alles verändern. Ich habe mir ein Zelt gekauft. Und zu Weihnachten verschenke ich welche. Die besten Freunde kriegen eines.
Damit können sie dann zu Occupy gehen. Bei Occupy Wall Street sagte einer: "Sollten wir nicht alle da draußen sein?" Auf den zentralen Plätzen in den Metropolen, um zu zeigen, dass die 99 Prozent nicht unsichtbar sind. Reclaim the streets with your tent. Ja, das machen wir dann. Und nebenbei bauen wir der Gentrifizierung eine Falle.
Tania Martini
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Für zeitlose Jahresendchaoten
… 17., 18., ach du meine Güte, 19., 20. Dezember, was, schon so spät? Noch vier Tage bis Weihnachten? Hilfe, die Geschenkeliste ist noch nicht abgearbeitet; hm, eigentlich ist sie nicht einmal geschrieben. Und was bis Jahresende noch anlag, Winterreifen aufziehen, Gardinen waschen, wird wohl wieder nichts.
Für Weihnachtshektiker, Jahresendchaoten und andere Zeitpaniker gibt es jetzt ein wunderbares Geschenk auf DVD. Es zeigt die Zeit an und es beruhigt: "Standard Time". Man sieht Arbeitern zu, die auf einer runtergerockten städtischen Grünfläche bauen, mit Holzbalken. Unermüdlich wird etwas verändert. Und dann erkennt man, dass sie die Ziffern der Zeitanzeige bauen, jede Minute ändert sich die letzte Zahl, schief stehen Einsen und Achten in der Gegend, Hochhäuser und der Berliner Fernsehturm sind im Hintergrund zu sehen, das Licht ändert sich, es wird Nacht.
Das packt einen, schön ist es, diesem unentwegten Fluss der Zeit zuzuschauen, dargestellt von menschlicher Arbeit. 70 Bauarbeiter waren an dieser 24-stündigen Aktion beteiligt, die Idee stammt von Mark Formanek. Als Bildschirmschoner oder in digitalen Bilderrahmen kann "Standard Time" genutzt werden.
Die DVD ist in vielen Städten zu kaufen, die Geschäfte findet man im Internet auf www.standard-time.com. Dort kann man auch online ordern und sich zur Sicherheit über die technischen Voraussetzungen für den Einsatz der DVD informieren (kostet 29,29 Euro).
Katrin Bettina Müller
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Zusammen sein, wirklich zusammen sein
Sie haben das Vertrauen in die Märkte verloren? Sie halten Postdemokratie nicht für die beste aller Regierungsformen? Sie sind pleite und haben keine Lust, die Warenförmigkeit der Beziehungen im Kapitalismus durch das Verschenken von Produkten zu bekräftigen? Sie finden, dass nichts so ist, wie es sein soll? Sie möchten, dass sich in Ihrem Leben etwas ändert? Das ist schön, dann sind Sie hier richtig.
Vorschlag für die dunklen Tage: Sie laden zwei Freundinnen ein. Sie bereiten Ihr Lieblingsgericht vor. Es soll Ihnen Spaß machen zu kochen, aber keine besondere Mühe oder Kosten verursachen. Sie besorgen Kerzen, Wein oder andere Drogen Ihrer Wahl. Bevor die Gäste kommen, loggen Sie sich aus dem Netz aus. Sie schalten das Handy ab und unterbrechen die Telefonverbindung. Sie legen alle Uhren und Fotoapparate in eine Schublade. Verstauen die Badezimmerwaage in einem Schrank. Ziehen die Stecker aller elektrischen Geräte aus den Dosen, bis auf den Kühlschrank, dort befindliche spirituelle Getränke und Lebensmittel sollen nicht zu warm werden. Dann löschen Sie alle elektrischen Lichter, drehen die Birnen aus der Fassung, zünden die Kerzen an und drehen die Heizung auf.
Wenn Ihre Freunde kommen, bitten Sie sie, Mobilfunkgeräte, Pads etc. auszuschalten. Lassen Sie sich nicht bequatschen, bleiben Sie hartnäckig. Bitten Sie Ihre Freunde darum, ihre Armbanduhren abzunehmen. Jetzt kann es losgehen! Essen Sie, trinken Sie, rauchen Sie, sprechen Sie, singen Sie, lachen Sie, weinen Sie. Tun Sie, was immer Ihnen beliebt. Freuen Sie sich. Es ist das letzte Mal, dass Sie so zusammen sind.
Ulrich Gutmair
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Helm aufsetzen heißt ultra aussehen
Fahrradhelme werden nur allzu gerne belächelt. Ein unschönes Accessoire, heißt es dann. Oder: Willst du dir nicht endlich ein Auto zulegen? Das möchten Sie lieber nicht. Überdies ist es höchste Zeit, Mitmenschen, die etwas belächeln, mit Nächstenliebe aus der Reserve zu locken. Das wäre doch nicht nötig gewesen, werden die dann bestimmt sagen. Aber nein, je selbstgewisser sie uns weglächeln, desto aufrichtiger in der Zuneigung werden wir ihnen gegenüber sein. Immer ran an den Weihnachtsspeck. Köpfchen beweisen.
Und genau hier kommt der Fahrradhelm wieder ins Spiel. Bewahrt er doch selbiges Köpfchen vor Gehirnerschütterungen oder Traumata bei Stürzen. Ein Fahrradhelm allein wird den ganz normalen Wahnsinn des Straßenverkehrs auch nicht bändigen, im Falle eines Falles aber lindern. Immerhin. Übersicht bewahren muss man dann schon selbst. Auch wenn Fahrradfahrer im Straßenverkehr im Recht sein sollten, einen schützenden Käfig aus Blech haben sie nun mal nicht um sich. Und das Reaktionsvermögen kann ja auch mal einen Sekundenschlaf eingelegt haben. Möglichkeiten zum Abschweifen gibt es immer.
Fast vergessen hätte ich, dass Fahrradhelme inzwischen nicht mehr so aussehen, als hätten B-Movie-Aliens ihre Gehirne nach außen gestülpt. Helm-auf-Köpfchen bewahren, heißt inzwischen, so ultra auszusehen, wie - googeln Sie das mal - die deutschen Rodler bei der Winter-Olympiade 1976. Apropos Winter, es gibt jetzt auch wärmendes Helm-Innenfutter, womit die Sommerfahrradhelme sekundenschnell zu Winterrodelhelmen umgebaut sind. Multifunktionshelm, das klingt angenehm verschroben, das riecht nach einem perfekten Geschenk.
Julian Weber
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