Zeichentrick-Legende aus Japan: Traumhafte Schweineseele
Arte zeigt den Film „Prinzessin Mononoke“ des japanischen Künstlers Hayao Miyazaki. Der Zeichner von Heidi macht längst nicht mehr nur Kinderfilme.
Wie kaum in einem anderen Land gedeihen in Japan Tradition und Moderne zwischen Streichholzschachtel-Wohnungen und Tempelgärten. Während sich der Alltag der einen entlang jahrhundertealter Zeremonien orientiert, leben die anderen in einer popkulturellen Blase, in der ein ungelenkes, quietschvergnügtes Manga-Wesen sein Unwesen zu treiben scheint.
Hayao Miyazaki, Koryphäe der japanischen Anime-Kunst, gilt als Vermittler zwischen scheinbar unvereinbaren Welten. Gemeinsam mit seinem künstlerischen Weggefährten Isao Takahata ist er Gründervater der legendären Ghibli-Studios, die zunächst mit den Zeichentrickserien „Heidi“ und „Biene Maja“ und schließlich mit preisgekrönten Filmen wie „Das wandelnde Schloss“ (2004) Weltruhm erlangten. Nur für Kinder sind die Filme des oscarprämierten Regisseurs („Chihiros Reise ins Zauberland“, 2001) längst nicht mehr.
In „Prinzessin Mononoke“ verfrachtet uns der Altmeister in die mythische Welt des 15. Jahrhunderts, in der noch Tiergottheiten und Waldgeister die dichten Wälder Japans bevölkern. Gestört wird das ökologische Gleichgewicht durch den Menschen.
Prinzessin Mononoke, ein menschliches Wesen mit tierischen Instinkten, ist bereit, den Kampf gegen jene aufzunehmen, die sich an ihrem Lebensraum vergehen. Miyazakis zunächst märchenhaftes Szenario verwandelt sich zu einer sensiblen Parabel über das Missverhältnis zwischen ökologischem Reichtum und zivilisatorischem Wachstum.
In Miyazakis Welten fallen scheinbare Gegensätze stets auf fruchtbaren Boden. Kategorien wie Raum und Zeit folgen einer wankelmütigen Logik. Gebäude führen ein Eigenleben, orientieren sich an der Wandelbarkeit der Natur. Grenzen, zwischen Mensch und Natur, Gut und Böse, Tradition und Moderne werden bewusst unscharf gezogen.
Mittwoch, 23. Oktober, Arte, 20.15 Uhr: „Prinzessin Mononoke“
Mittwoch, 30. Oktober, Arte, 20.15 Uhr: „Porco Rosso“
Für den Regisseur, Drehbuchautor und Anime-Zeichner verschmelzen traditionelle und zeitgenössische Elemente sogar in seiner zur Perfektion getriebenen Kunst. Inspirieren ließ sich der mittlerweile 72-Jährige von Emakimono, einer japanischen Form der Illustration, bei der sich die narrative Abfolge von Zeichnungen erst durch das Auf- und Zusammenziehen von pergamentartigen Schriftrollen erschließt. Seine Technik hingegen, die Darstellung dreidimensionaler Räume, trägt eine europäische Handschrift.
Zeichentrick voller Schönheit und Ernsthaftigkeit
Miyazaki gilt als kompromissbereiter Visionär. Seine Zukunftsszenarien zeigen zwar, was noch nie jemand gesehen hat, orientieren sich aber stets an dem, wonach sich alle sehnen: Abenteuer, Liebe, Versöhnung. Seine Hauptfiguren hingegen sind weniger marktorientiert gezeichnet. In „Das wandelnde Schloss“ wird eine zur alten Jungfrau verhexte unscheinbare Hutmacherin zur Heldin.
In Miyazakis wohl persönlichstem Film „Porco Rosso“ (1992) lässt ein zum unattraktiven Schwein verzauberte Kopfgeldjäger Frauenherzen höher schlagen. Der im Italien der 1920er Jahre spielende Film handelt von einem tollkühnen Kampfpiloten, der, von Kriegswirren und Midlifecrisis gezeichnet, an der adriatischen Küste gegen Luftpiraten kämpft, während an Land die FaschistInnen im Anmarsch sind.
Viele von Miyazakis Eigentümlichkeiten treten in dieser Geschichte zutage: Seine Obsession für Flugzeugtechnik, das Schnarren und Klappern eines vergangenen Industriezeitalters und, nicht zuletzt, seine Aversion gegen totalitäre Regime: „Ich bin lieber ein Schwein als ein Faschist.“
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