: Zeichen des Fundamentalismus
■ betr.: „Des Kreiz woi'ma hoch hoit'n“ von Thomas Pampuch, taz vom 25. 9. 95
In Zeiten ethischer Orientierungslosigkeit haben Symbole Konjunktur. Die Aufregung um das Kruzifix (kleiner Lektürevorschlag hierzu am Rand: 2. Mos. 20,4) ist für diesen Zusammenhang symptomatisch: Indem sie die Gelegenheit bietet, sich zu Bewahrern einer religiösen Symbolik aufzuspielen, können die Werte, die hinter dieser Symbolik stehen, um so schamloser unter dem Beifall einer paralysierten Öffentlichkeit der Negation durch das eigene Handeln preisgegeben werden. Dahinter steckt ein Moralbegriff, der dem vergleichbar ist, wenn von der „Moral der Truppe“ die Rede ist.
Das Symbol des Banners wird an die Stelle der Werte gesetzt, die es vertreten soll; das durch das Kruzifix angeblich verkörperte „christliche Abendland“ verdrängt als Symbol eine christliche Handlungsethik, die die Bewahrung der Schöpfung, die Verteilung von Reichtum, den Schutz Verfolgter vorschreiben würde. Statt dessen wird das Kreuz hochgehalten, um guten Gewissens auf dem Recht zur Weltzerstörung, auf der Unantastbarkeit von Besitzständen, auf der Reinheit des eigenen Territoriums beharren zu können.
Es ist ein Zeichen des Fundamentalismus, wenn nicht Werte, sondern Symbole verteidigt werden. Peter Höfle, Tübingen
Gegen Ende der Berichterstattung der „Tagesschau“ vom 23. 9. zur Demonstration der Katholiken in München gegen das Kruzifix wurde auf ein Transparent mit der Aufschrift „Verfassungsfeind Stoiber“ hingewiesen. Es sollte erwähnt werden, daß bald nach der Aufnahme Zivilbeamte auftauchten, die das Plakat herunterrissen und die Träger verhafteten. Thomas Meyer, München
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