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Archiv-Artikel

Zaghafter Aufbau Ost

SRI LANKA Terror und Tsunami haben an der Ostküste verheerende Zerstörungen angerichtet. Frieden und eine verbesserte Infrastruktur sollen Touristen nun an die Traumstrände locken

Tipps zu Sri Lanka

Anreise: SriLankan fliegt von Frankfurt/Main aus 4-mal, Condor 1-mal pro Woche nach Colombo.

Visum: Ein kostenloses, 30 Tage gültiges Touristenvisum wird bei der Einreise ausgestellt. Infos bei der Botschaft von Sri Lanka, Niklasstr. 19, 14163 Berlin, Tel. (030) 80 90 97 49, Fax 80 90 97 57 www.srilanka-botschaft.de

Informationen: Sri Lanka Tourism Promotion Bureau www.srilanka.travel

Vor Ort: Saison an der Ostküste ist von April bis September. Das Nilaveli Beach Hotel kann über die Agentur Tangerine Tours gebucht werden: 236 Galle Road, Colombo 3, Sri Lanka, Tel. 00 94-11-2 42 25 18, www.tangerinetours.com. Reisen an die Ostküste arrangiert: Jetwing Travel, 6/26 Navam Mawatha, Colombo 2, Sri Lanka, Tel. 00 94-11-2 34 57 00, Fax 2 34 57 29 www.jetwingtravels.com

Literatur: „Sri Lanka“, Stefan Loose Travel Handbücher, DuMont-Reiseverlag, 21,95 Euro

VON MARTIN H. PETRICH

Dem Sterben schauen sie schweigend zu. Während die Fische vergeblich um ihr Leben zappeln, umringen die jungen Männer das lange Netz und blicken gebannt auf ihre Ausbeute. Ein Junge spielt mit einem faustgroßen Tintenfisch, krächzende Krähen machen sich gierig über den Seetang her. Szenen, wie sie sich seit Generationen am Nilaveli Beach nördlich von Trincomalee abspielen. Und doch ist diesmal etwas anders: Nur wenige Schritte entfernt hüpfen junge Mädchen ausgelassen im Wasser, als würden sie die Tanzszene eines Bollywoodfilms proben.

Starrsinnige Regierung

Vor einigen Monaten wäre so etwas kaum denkbar gewesen, damals starrten die Menschen gebannt auf den Kriegsschauplatz Mullaitivu, keine hundert Kilometer von hier entfernt. Die an einer Lagune gelegene Stadt machte weltweit Schlagzeilen, als die eingekesselten Tamil Tigers 250.000 ihrer Landsleute als lebendige Schutzschilde gegen die sri-lankische Armee missbrauchten. Mindestens 7.000 Zivilisten sollen laut UN-Angaben bei den Gefechten ums Leben gekommen sein. So genau weiß das niemand, da selbst das Internationale Rote Kreuz keinen Zugang zu den Opfern hatte. Mit ihrer starrsinnigen Blockadepolitik zog Sri Lankas Regierung den Unmut der westlichen Staatengemeinschaft auf sich.

Doch daran denken die tanzenden Mädchen jetzt nicht, sie genießen einfach das rauschende Meer in der späten Nachmittagssonne. „Endlich können wir den Strand von Nilaveli besuchen“, freut sich eine junge Frau im bunten Salwar Kameez, einer Tunika mit Stoffhose – und stellt sich mit ihren beiden Freundinnen im Wasser zum privaten Fotoshooting vor tropischer Strandkulisse auf. Lange schon wollten sie einmal von ihrer Heimatstadt Kurunegala aus an die Ostküste reisen, doch die Flutkatastrophe von 2004 und vor allem der Bürgerkrieg hatten dies bislang verhindert. Daher schlossen sie sich einer örtlichen Reisegruppe an, um für ein paar Tage Badeurlaub zu machen.

Noch dauert die 180 km lange Fahrt zwischen Kurunegala und Nilaveli wegen der streckenweise schlechten Straßenverhältnisse und Militärkontrollen fast sieben Fahrstunden. Das wird sich jedoch bald ändern, denn entlang der Nationalstraße Nummer 6 wird fleißig gebaut. In Urlaubsstimmung sind die Fischer von Nilaveli zwar nicht, doch auch sie sind über das Kriegsende froh. Für sie ist das Alltagsleben spürbar leichter geworden. Viele Jahre durften sie nachts nicht zum Fischen auf das Meer hinausfahren. Ab 18 Uhr war Ausgangssperre. Und aus dem nahen Dschungel hörten sie regelmäßig Gefechtslärm. Das ist jetzt vorbei.

„Bislang musste ich während der Regenzeit an der Südküste als Perlentaucher mein Geld verdienen. Der Fischfang hat für den Lebensunterhalt einfach nicht ausgereicht“, erzählt Sajeeth Khan. „Einige Freunde jobbten auch in den Golfstaaten.“ Das wird jetzt wohl nicht mehr nötig sein, hofft der 31-jährige Muslim – sofern die Touristen wieder kommen, denn als Bootsfahrer könnten Sajeeth und seine Freunde ganz gut am Fremdenverkehr verdienen.

Ungebetene Gäste

Vor der Küste liegen einige kleine Inseln verstreut, darunter die fischreichen Coral and Pidgeon Islands. Während Sajeeth mit dem Boot von seinem Dorf Irrakkandy aus die nahen Koralleninseln ansteuert, preist er die Attraktionen Nilavelis wie ein Marketingexperte: „Hier gibt es wunderbare Tauchgründe. Mit Glück kann man Delfine und sogar Blauwale sichten.“ Ein Blick durch die Taucherbrille gibt dem tatkräftigen Vater von drei Kindern Recht. Selbst ungeübten Schnorchlern bietet sich rund um die Inseln eine schöne bunte Unterwasserwelt. Wer jedoch lieber in einem schicken Strandhotel faulenzen möchte, hat bislang wenig Auswahl. Die einzige Unterkunft mit gutem Standard ist das Nilaveli Beach Resort. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1973 hat es selbst während schlimmster Kriegszeiten Gäste willkommen geheißen – oftmals auch ungewollte. „Alle zwei Wochen kamen Soldaten der Tamil Tigers, um sich mit Nahrung einzudecken“, erinnert sich Suthagar, der im Hotel seit 15 Jahren als Rezeptionist arbeitet. Mit Glück entkam der 36-jährige Tamile den haushohen Tsunami-Wellen, die auch in Nilaveli verheerende Zerstörungen anrichteten. Zwei Jahre blieb die Unterkunft geschlossen, bis sie 2007 wieder in neuem Glanz eröffnete. Mitten im wieder aufgeflammten Krieg. Das Resort blieb zumeist leer. Anstelle von Touristen verirrten sich graufellige Hanuman-Languren an die Pool-Bar.

Seit Kriegsende reisen vorwiegend Einheimische nach Nilaveli. Denn noch immer rät das Auswärtige Amt im fernen Berlin vor Reisen an die Ostküste ab. Eine allgemeine Reisewarnung besteht allerdings nicht mehr. „Wir wollen auf Nummer sicher gehen“, verteidigt ein Mitarbeiter der Deutschen Botschaft diese Vorsichtsmaßnahme.

Freunde jobbten in den Golfstaaten. Das wird jetzt nicht mehr nötig sein

„Völlig unbegründet“, meint hingegen Werner Borchers, der seit den 1980er-Jahren in der Relaisstation der Deutschen Welle nördlich von Nilaveli arbeitet und sich selbst zu Kriegszeiten nie bedroht gefühlt hat. „Für Ausländer stellten die Tamil Tigers keine Gefahr dar. Das waren meist ganz nette Kerle.“ Geschäftshungrige Investoren schielen wieder kräftig auf die Traumstrände an der Ostküste. „Als im Mai der Tod des Tamil-Tiger-Führers Prabhakaran vermeldet wurde, riefen bei mir kurz darauf ausländische Geschäftspartner an, um sich nach guten Investitionsmöglichkeiten zu erkundigen“, erinnert sich Hiran Coorey, Eigentümer der bekannten Jetwing-Hotelgruppe. Die schönsten Strandabschnitte von Nilaveli sind jedoch schon lange in der Hand sri-lankischer Hotelketten. Für sein Unternehmen hat der 46-jährige Coorey bereits vor Jahren ein großflächiges Grundstück gesichert. Mit dem Bau eines Hotels will er jedoch noch warten, denn erst muss die Infrastruktur stimmen.

Wiederaufbauarbeit

Da ist immerhin Besserung in Sicht: Fast alle wichtigen Verbindungsstraßen werden derzeit erweitert. Die Regierung hat sich den „Aufbau Ost“ auf die Fahnen geschrieben. Wie im kriegszerstörten Norden gibt es noch viel Wiederaufbauarbeit zu leisten. „Doch es nützen die besten Straßen nichts, wenn die Regierung nicht die Herzen der Tamilen gewinnt“, meint Jehan Perera, Direktor des renommierten National Peace Council. „In den Köpfen der Politiker herrschen großes Misstrauen und Angst. Sri Lanka ist heute ein Polizeistaat“, kritisiert der gefragte Zeitungskolumnist.

Die rigiden Sicherheitsmaßnahmen bekommt vor allem die tamilische Minderheit zu spüren. Schikanöse Polizei- und Militärkontrollen sind an der Tagesordnung. Ein Vierteljahrhundert Bürgerkrieg hat tiefe Wunden in die multikulturelle Gesellschaft gerissen. Doch erstmals sehen die Menschen hoffnungsvoll in die Zukunft, auch die Fischer von Nilaveli. Ihnen sind tanzende Mädchen im Wasser zehnmal lieber als stramm stehende Soldaten am Straßenrand.