: Zärtlich lieb‘ ich meinen Ölradiator!
■ Die Eiseskälte in Berlin: Der Mensch, sein Brikett und der heizende Kühlschrank
Berlin.Sie gehören zu der Minderheit, der das Menschenrecht auf eine Zentral—oder Gasetagenheizung verweigert wird ? Dann kennen Sie dieses Gefühl frühmorgens: Der Wecker steht auf halb acht oder von mir aus auf neun - und das Thermometer auf dem Balkon auf minus elf. Die Kerle im wohlbeheizten meteorologischen Institut in Dahlem kündigen klaren Himmel und eine Tageshöchsttemperatur von minus acht Grad an. Ich zolle noch ein letztes Mal meiner Körpertemperatur und der Daunendecke Respekt. Dann Augen zu und raus aus dem Bett. Die blanken Füße tasten nach den Birkenstocklatschen (kälteunempfindliche Sohlen) und landen erst einmal in dem Aschehäufchen, das sich gestern nacht beim Anheizen des Kachelofens gebildet hat. Zwei Sekunden überlegen, ob man zuerst die Klobrille anwärmen oder Kaffeewasser aufsetzen möchte. Die Entscheidung fällt zugunsten der Küche. Küchentür auf, einmal tief Luft holen. Ein unbeschreibliches Gefühl, seinen eigenen Atem nicht nur zu spüren, sondern auch zu sehen.
In meiner Neuköllner Wohnung, erster Stock, sonnengeschützte Lage, bin ich mit meinem Kachelofen immer noch besser dran, als der Kollege aus der Kulturredaktion, wohnhaft in Prenzlauer Berg. Dreißig Quadratmeter, mit Koch-und Duschnische und sogenanntem „Dauerbrandofen“, ein Einheitsmodell aus realsozialistischen Zeiten. „Der macht alles, nur nicht dauerbrennen“, sagt er. „Du schmeißt dreißig Briketts rein und nach einer Stunde ist es wieder furzkalt.“ Ausgedehnte Kneipenaufenthalte und ein fast zärtliches Verhältnis zu seinem Ölradiator verhindern, daß seine Körpertemperatur unter die Schallgrenze von 35 Grad sinkt.
Die Kollegin aus dem Rathaus schwört darauf, ihre Briketts in feuchtes Zeitungspapier einzuwickeln. Um das Zeitungspapier naß zu kriegen, muß sie ins Bad oder in die Küche und kann bei der Gelegenheit ein bißchen Polarforschung betreiben. Gestern sind die Kochtöpfe auf dem Fensterbrett festgefroren. Sie behauptet außerdem steif und fest, daß ab einem bestimmten Kältegrad die Kühlschränke ausflippen, und anfangen, zu heizen.
Meine Kollegin aus der Kulturredaktion hat sich — auch eine Folge der Kälte — eine Steißbeinprellung eingefangen: Ihr Hausmeister hat, zum ersten Mal in sechs Monaten, den Hausflur feucht gewischt. Im Gegensatz zu den Berliner Seen trägt das Eis dort gut. anb
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