ZWISCHEN DEN RILLEN: Modisch, aber nicht mondän
Lady Antebellum, „Own The Night“ (Capitol Nashville/EMI)
Keine Stetsons, keine Stiefel, nicht mal ein schnödes Paar Blue Jeans. Lady Antebellum mögen aus Nashville stammen und der größte Country-Act unserer Tage sein, aber auf dem Cover ihres neuen Albums „Own The Night“ präsentieren sie sich vollkommen ohne die üblichen Cowboy-Accessoires. Stattdessen: Ein wehendes Abendkleid, schlanke Anzüge, locker sitzende Krawatte. Auch wenn das Trio in einer von kargen Büschen unterbrochenen Wüstenlandschaft platziert ist, suggeriert das Erscheinungsbild doch eher ein aufgeklärtes, wenn auch nicht allzu progressives Image: nicht erdverbunden, aber doch auf dem Boden geblieben; modisch, aber nicht mondän; modern, aber nicht modernistisch.
Dieser Spagat hat seinen Grund: Denn Lady Antebellum schaffen im Gegensatz zu vielen ihrer derzeit aktiven Kollegen aus Nashville den Crossover zum Pop, die Versöhnung von Land und Großstadt, Republikanern und Demokraten. Der Beweis für dieses Kunststück, das in diesem Umfang zuvor nur den Dixie Chicks oder zuletzt Taylor Swift gelang: Lady Antebellum räumen nicht nur zuverlässig die Auszeichnungen bei den „American Country Awards“ ab, sondern reüssieren auch bei den Grammys. Bei der letzten Auflage der Leistungsschau der US-Musikindustrie im Februar sammelten sie fünf der begehrten Preise ein, während sich Lady Gaga mit dreien begnügen musste.
Die Erfolgsgeschichte von Lady Antebellum begann 2006. Seitdem werden Hillary Scott, Dave Haywood und Charles Kelley nicht nur immer wieder mit Fleetwood Mac verglichen, sondern finden vor allem zielsicher den schmalen Grat zwischen weichgespültem Balladen-Pop und den Erfordernissen des etwas knorrigeren Country-Marktes. Vor allem in den Duetten von Scott und Kelley finden diese beiden Pole immer wieder harmonisch zueinander, besonders herzerweichend beim Finale des neuen Albums in „I Need You Now“.
Möglich wird die allumfassende Beliebtheit des Trios auch, weil die Songs auf „Own The Night“ konsequent kontroverse Themen vermeiden. Sie handeln von der Liebe, die die Welt stillstehen lässt, und von Küssen im Mondlicht, aber auch von Nächten, in denen man betrunken auf diese Liebe wartet, und von dem Schmerz, der einem den Atem nimmt. Meistens allerdings sind die Songs im Präteritum gehalten und die Liebe oft längst vergangen. In diesen Momenten greift jene nicht eben verzweifelte, auch nicht resignative, aber doch fatalistische Melancholie um sich, die gute Countrymusik schon immer ausgezeichnet hat. Diese Stimmungslage unterscheidet Lady Antebellum auch von den als Songs getarnten restaurativen Durchhalteparolen, mit denen andere, aus der Inzucht des Nashville-Establishments geborene Stars wie Toby Keith oder Brooks and Dunn Millionen Alben verkaufen.
Mit denen brauchen sich Lady Antebellum nicht mehr zu messen. „Own The Night“ stieg in den USA auf Platz 1 der Album-Charts ein. Scott, Haywood und Kelley sind keine Außenseiter wie Jamey Johnson, der zuletzt jene von Johnny Cash oder Kris Kristofferson geprägte Highwaymen-Attitüde wiederbelebte, dazu sind sie nicht zornig genug. Zwar ist mancher Gitarrenriff einigermaßen knarzig geraten, so im Titelsong „We Owned The Night“, und „Friday Night“ könnte man sogar als Rocksong bezeichnen. Die wenigen Zugeständnisse an Nashville allerdings, so eine widerspenstige Fiedel in „Love I’ve Found In You“ oder die Steelguitar in „Cold As Stone“, werden meist schnell wieder von einem Willen zum Wohlklang zugedeckt, von Streichern und Keyboardschwaden.
Man könnte nun sagen: Lady Antebellum extrahieren mit viel Geschick das Beste aus den beiden immer noch weit voneinander entfernten Welten Pop und Country. Man könnte aber auch sagen: Lady Antebellum würden zur Abwechslung ein paar dreckige Jeans ganz guttun.
THOMAS WINKLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen