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ZUR PERSONKein grauer Beamter

■ Zum Tod von Hanno Klein

Früher nannten ihn viele den »roten Hanno von Reinickendorf«. Das war in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten. Er hatte kein politisches Amt. Trotzdem ließ sich sein Einfluß kaum überschätzen. Er selbst quittierte kürzlich mit einem Lächeln die Frage, was denn wichtiger sei: sein im stillen arbeitendes »Referat für besondere Investitionen« oder das vom Stadtentwicklungssenator mit großem Pomp organisierte Stadtforum.

Er war ein Beamter in Diensten der Stadt Berlin, aber keiner im Sinne des Stereotyps. Er war die graue Eminenz der Berliner Stadtplanung, aber alles andere als eine graue Gestalt. Seine Eloquenz und Energie, aber auch seine Eitelkeit hoben ihn heraus — oft genug zum Ärger seiner Kollegen und Vorgesetzten. Als Sohn reicher Eltern leistete er sich nicht nur teure Automobile, sondern auch offene Worte, die nicht mit den wechselnden Senatoren abgesprochen waren, die ihm in den letzten 15 Jahren vorgesetzt waren. Von Harry Ristock bis Wolfgang Nagel hatten alle ihren Ärger mit Klein, immer wieder fiel er in Ungnade — um dann doch wieder aus der Versenkung geholt zu werden, weil man ihn eben brauchte.

Erst vor zwei Wochen verordnete Nagel seinem Referatsleiter mal wieder einen Maulkorb, weil der sich in einem Zeitschriften- Interview allzu eigenmächtig geäußert hatte. Einen seiner »dynamischsten Mitarbeiter« habe er verloren, mußte der Bausenator gestern trotzdem klagen. Klein war der Senatsmanager des Gründungsfiebers, das in der Friedrichstraße und der ganzen Stadt ausgebrochen war. Diese Situation, sagte er, »ist ein Vakuum nach meinem Geschmack«. Bis zu zwölf Termine absolvierte er pro Tag. »Von Abenteurern bis zu Vertretern von Großkonzernen«, wußte er, war bei den Besuchern alles dabei. In dem Büro in der Behrenstraße in Berlin-Mitte, in dem er residierte, saß zu SED- Zeiten der Parteisekretär. Die Ostberliner wiesen es Klein zu, weil sie hofften, er werde ihnen nun keine Sprüche bringen, sondern das Geld, das die Stadt so dringend braucht.

Dafür setzte er sich ein. Aber er konnte auch mit den linken Kritikern offen diskutieren, die ihm einen Kniefall vor dem großen Geld vorwarfen. Vor allem Stadtplaner und Architekten aus der linksliberalen Szene klagten über Klein. In ihren Augen betrieb er in seinem kleinen Referat reine »Spielplanung« ohne fundierte Grundlage. Und viel zuviel geschah für ihren Geschmack hinter verschlossenen Türen, speziell im Fall Daimler-Benz.

Seit 1976 war Klein in Senatsdiensten, seit jeher hatte er ein Parteibuch der SPD. Parteipolitik betrieb er freilich nie. Im Gegenteil: Der damaligen CDU-Opposition und auch der regierenden SPD stieß es in den 70er Jahren negativ auf, daß der Senatsbeamte Klein gemeinsam mit einem SEW-Mann eine Bürgerinitiative gegründet hatte. Seit 1977 organisierte er zusammen mit dem Pfarrer Klaus Duntze die »Strategien für Kreuzberg«, ein für damalige und heutige Verhältnisse sensationell offener Bürgerwettbewerb, der Ideen bringen sollte, wie man den Arbeiterbezirk vor dem Verfall retten könnte. In späteren Jahren verfocht er ebenso redegewandt einige fragwürdige Vorhaben. Als Wettbewerbsleiter bei der Stadtentwicklungsverwaltung war er verantwortlich für die gescheiterten Hollein-Entwürfe für das Kulturforum und für nie realisierte Konzepte zur Gestaltung des Areals rund um den Reichstag. Nicht alle seine Pläne hatten Bestand, aber Klein war — so Nagel — »immer in der Lage, eine Diskussion qualifiziert durchzustehen«.

Auch über die Daimler-Ansiedlung ließ Klein mit sich reden. Aber er selbst nahm für sich in Anspruch, dem Konzern den Bauplatz am Potsdamer Platz anempfohlen zu haben. Es wäre ihm vermutlich nie der Gedanke gekommen, daß er damit das Feindbild blindwütiger Bombenbastler erfüllen könnte. Daß der Mord an Hanno Klein gestern keinem Redner vor dem Berliner Parlament eine Erwähnung wert war, hat er nicht verdient. Hans-Martin Tillack

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