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ZDF für geeintes Deutschland gerüstet

■ Mainzer Anstalt will ab Dezember auf dritter Frequenz im Ostteil Deutschlands auf Sendung gehen

Als Oswald Ring, Programmdirektor des ZDF, begann, die zukünftigen Aktivitäten seines Senders im geeinten Deutschland anzupreisen, gelang ihm ein genialer freudscher Versprecher. Natürlich, sagte er, werden wir den neuen Anforderungen auch inhaltlich gerecht. So planen wir sechs Teile einer kleinen Serie über Karl Marx, nein, äh, ich meine natürlich Karl May. Schallendes Gelächter. Der Geist des verendenden Sozialismus schien den westdeutschen Programmacher überwältigt zu haben. Kein Wunder, hatte doch schon Wladimir Iljitsch Lenin 1895 in den heiligen Hallen der Deutschen Staatsbibliothek, dem Ort der montäglichen Pressekonferenz, gesessen und von der klassenlosen Gesellschaft geträumt.

Dabei war das Gebäude — einst Stätte der Begegnung des deutschen Idealismus — mit Bedacht gewählt. Galt es doch, die Öffentlichkeitsvertreter in der Noch-DDR davon zu überzeugen, daß das ZDF ein wirkungsvolles publizistisches Instrument für die noch zu bildenen Länder sei. Mit dem ZDF stehe, so die Worte seines Intendanten, ein Medium zur Verfügung, das die Aufgaben und Ziele der Länder auch international zur Geltung bringen könne. Das aber schien die Pressevertreter der DDR wenig zu interessieren. Ihre Aufmerksamkeit galt primär der Frage, ob denn auch ehemalige Mitarbeiter des Deutschen Fernsehfunks (DFF) vom ZDF übernommen würden.

Natürlich, so Stolte, ist es sinnvoll, daß wir das Know-how und das gesellschaftliche, kulturelle als auch geschichtliche Wissen der DDR- Journalisten integrieren. Eine Mitgliedschaft in einer demokratischen Massenpartei, sprich SED, kann dabei kein Hinderungsgrund sein. Aber, so der Intendant weiter, hat jemand seine Mitgliedschaft in der Stasi verschwiegen, gibt es nur eine Möglichkeit: „Der fliegt raus.“ Allerdings sind es nur 30 Stellen die der Verwaltungsrat des ZDF freigegeben hat. In Erwartung der zu erwartenden hohen Arbeitslosigkeit an DDR Fernseh- und Funkjournalisten eine klägliche Zahl.

Damit die fünf Korrespondentenplätze zu Landesstudios umgebaut werden können und der Mainzer Sender zur Anstalt aller 15 Bundesländer im geeinten Deutschland wird, müssen die zukünftigen neuen Länder allerdings noch einen Beitrittsstaatsvertrag unterzeichenen. Nach den Worten Stoltes ist dies „politisch und gesetzestechnisch“ die einfachste Lösung. Zielte der bisherige Staatsvertrag aus dem Jahre 1961 auf die Wiedervereinigung, so soll der Programmauftrag jetzt die „integrative Funktion für das Staatsganze“ unterstreichen.

Stolte ging in der Pressekonferenz davon aus, daß das ZDF zeitgleich mit der ARD Mitte Dezember auf Sendung geht. Die Post sei dabei eine dritte Sendefrequenz einzurichten, so daß man auch im Dresdner Raum, dem „Tal der Ahnungslosen“, zu sehen sei. Die ARD werde wohl auf der ersten Sendekette senden, während die zweite dem neuorganisierten DFF vorbehalten sei. Allerdings ist für eine bessere Qualität der Bilder erst der Bau mehrerer Umsetzer nötig, deren Bau 1991 in Angriff genommen werden könne.

Intendant Stolte unterstrich noch einmal den Anspruch des ZDF auf einen Hörfunkkanal: „Aus Gründen der Chancengleichheit und um eine empfindliche Störung des publizistischen Kräftegewichtes innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems in Deutschland zu vermeiden“, soll der Deutschlandfunk und/oder der RIAS dem ZDF zugeordnet werden. Eine Entscheidung darüber liegt aber bei den Ländern, die die Ministerpräsidenten von Bayern, Max Streibl (CSU), und Schleswig-Holstein, Björn Engholm (SPD), beauftragt haben einen Vorschlag für die Neuordnung der Bundesrundfunkanstalten auszuarbeiten. Karl-Heinz Stamm

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