ZDF-Krimiserie "Nachtschicht": Hamburgs hässliche Ecken
Einmal im Jahr lässt das ZDF seine Ermittler in einer "Nachtschicht" (Montag, 20.15 Uhr) ermitteln - zu selten. Die Serie hängt unglücklich zwischen ARD-Tatort und "KDD".
Einer der Urväter des Genres Krimi, Edgar Allan Poe, versteckte den "entwendeten Brief" unter lauter anderen, belanglosen Schriftstücken, so dass er gerade deswegen übersehen wurde. Ähnlich verbirgt das ZDF seine Krimiperlen. Es zeigt Krimi auf Krimi auf Krimi, die guten fallen kaum auf.
Das gilt besonders für die Reihe "Nachtschicht", die von einem Kriminaldauerdienst erzählt, der sich eine Nachtschicht lang um alles kümmert, was polizeilich so anfällt und so verschlungen-dynamische, manchmal ausufernde Abenteuer erlebt. Seit 2003 Autor und Regisseur, schreibt Lars Becker diese Geschichte in inzwischen sechs Filmen fort. Es erblickt also ungefähr ein neuer Film pro Jahr das Licht des Bildschirms - womit die Reihe weniger präsent ist als die meisten "Tatorte". Als raffiniert komponierte Serie wie "KDD" (die das Prinzip des Kriminaldauerdiensts, moralisch ähnlich ambivalent, ebenfalls aufnahm) wird "Nachtschicht" aber auch nicht wahrgenommen. Sie sitzt etwas unglücklich zwischen den Stühlen.
Die heutige Folge "Blutige Stadt" beginnt mit einer Beerdigung. Kommissar Teddy Schrader und damit Schauspieler Ken Duken, der flammende Blicke warf, ohne sich in den Vordergrund zu spielen, fehlt künftig - und zwar sehr. Das Ermittlerteam bilden nur noch Barbara Auer, Armin Rohde und Minh-Khai Phan-Thi. Zwar treten wie schon oft imposante Unbekannte in starken kleinen Rollen auf, etwa der Däne Thure Lindhardt. Vor allem aber bevölkern bis über den Überdruss hinaus bekannte Krimimimen wie Uwe Kockisch ("Commissario Brunetti") und Fritz Karl die Episode. Auch Maja Maranow, die sich sonst in der ZDF-Samstagskrimireihe "Ein starkes Team" verbraucht, darf hier ein kleines schauspielerisches Kabinettstückchen anstellen.
Zwar gibt es wieder einen Kosmos von Figuren, in dem Böse auf allen Seiten des Gesetzes zu finden sind. Doch schauspielerisch kippt die Balance ins Etablierte um. Als Regisseur scheint Becker unentschlossen, ob er nun einen Whodunit-Krimi mit unbekanntem Serienmörder erzählt oder nicht. Und es fallen viele Fernsehkrimisätze, die wenig mit gesprochener Sprache ("Sie sollen ein Verhältnis mit Ihrem Chef gehabt haben!" - "Na und? Er hatte zahllose Affären, deshalb vergieße ich hier keine Tränen"), aber viel mit krimidramaturgischem Verdächtigen-Management zu tun haben.
Dennoch ragt auch dieser Film aus der Krimiflut etwas heraus - schon weil erneut die zahlreichen sehr hässlichen Ecken, über die die schöne Stadt Hamburg verfügt, in Kinolicht getaucht werden und interessant aussehen. Man würde der "Nachtschicht" bloß wieder einen jugendlicheren Kommissar wünschen, damit das Feuer wieder lodert. In einer der prägnanten kleinen Rollen bietet sich auch jemand an: Sibel Kekilli muss zwar viele doofe Fernsehkrimisätze sagen, erledigt das aber so hard-boiled, dass man gern mehr davon sehen und hören würde.
Schließlich zählt auch das zu den Vorzügen der "Nachtschicht": Deutsche mit Migrationshintergrund tauchen nirgends im Fernsehen so selbstverständlich auf wie hier.
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