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ZDF-KrimiDen Abschied fürchtet sie

Kommentar von Steffen Grimberg

Jane Tennison geht in Pension - und eine renommierte Krimireihe endet: "Heißer Verdacht" mit der Oscar-Preisträgerin Helen Mirren.

Helen Mirren in Ihrer Rolle als unnahbare Komissarin Tennison Bild: dpa

Mein Name ist Jane", sagt Jane Tennison. "Ich bin Alkoholikerin." Doch die ältere Dame, die sich nur zögerlich auf die Spielregeln beim Treffen der Anonymen Alkoholiker einlassen kann, hat noch andere Probleme: Sie ermittelt als hochrangige Polizeibeamtin im Fall der verschwundenen Vierzehnjährigen Sally Sturdy - deren von gluckenhaft-hysterischen Eltern eifersüchtig überwachte Jugend sich plötzlich als abgründiges Doppelleben auftut: Sally ist weg.

Und auch Tennison wird bald nicht mehr da sein: Sie, die erste ranghohe Ermittlerin in ihrer Dienststelle steht kurz vor der Pensionierung. Es ist ihr letzter Fall, und so wird diese endgültig letzte Folge der großartigen "Prime Suspect"-Reihe des britischen Privatsenders ITV ganz unfreiwillig zu einer Art Gesamtrückschau: zur Bilanz eines Polizistinnenlebens, zur Bilanz der ersten Generation, die ins männliche Polizeicorps einziehen konnte - und sich selbst durchbringen musste. Helen Mirren hat Jane Tennison in allen Folgen mit einer Unnahbarkeit ausgestattet, die jetzt, kurz vom dem Abschied, fast schmerzhaft wirkt: Tennison ist ein Cop alter Schule, früher Kette rauchend, immer noch Whiskey trinkend, und sie ist die Anführerin einer Truppe von Männern. Gefühle sind in dieser Umgebung allerdings nicht angemessen.

Die auch heute noch zumeist männlichen Kollegen trauen ihr nicht wirklich. Aus Tennisons Sicht scheinen sie ihren Abschied geradezu herbeizusehnen - doch sie selbst fürchtet ihn. Denn sie hat ihr Leben ihrer Arbeit geopfert. Tennison - und in gewisser Weise eben auch die 62-jährige Oscar-Preisträgerin Helen Mirren, die sie spielt - verkörpert mit allen Brüchen, Erfolgen und Verletzungen ihre Generation: Frauen, die im Beruf Karriere gemacht haben und dabei immer doppelt so gut sein mussten, um in der männlich dominierten Arbeitswelt auf gleicher Höhe mitspielen zu können.

Wie sich Mirren als Tennison in den Fall - dessen Plot, einziger Kritikpunkt, sich in der ersten Folge etwas lahm entwickelt - verbeißt, ist verstörend und anrührend zugleich. Und deutschem Krimischaffen um ältere Kommissarinnen à la "Unter Verdacht" - sorry, Senta Berger - haushoch überlegen.

"Heißer Verdacht - Finale". Teil 1: So., 30.9., Teil 2: So., 7.10., je 22 Uhr, ZDF

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