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ZDF-ChefredakteurMainzer Machtprobe

Hessens Ministerpräsident Roland Koch will eine weitere Amtszeit von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender unbedingt verhindern.

Genießt innerhalb des ZDF großes Vertrauen: Chefredakteur Brender. Bild: dpa

Die Causa Nikolaus Brender, eigentlich Thema in der ZDF-Zentrale auf dem Mainzer Lerchenberg, hat auf dem Kupferberg derselben Stadt ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht: Beim traditionellen Heringsessen ließ es sich Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) nicht nehmen, zu poltern, die CDU-Kritik am ZDF-Chefredakteur sei "konstruiert" und "vorgeschoben". Beck vermutete die Quelle zudem nicht nur in der hessischen Staatskanzlei, sondern auch "in Berlin".

Beck ist Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats, der am 27. März über den Wunsch von Intendant Markus Schächter beraten muss, Brenders Vertrag ein zweites Mal zu verlängern. Hessens Ministerpräsident Roland Koch stellt den 60-Jährigen offen infrage; dabei gehe es ihm nicht um parteipolitische Spielchen, betonte Koch in der FAZ, sondern um Brenders Qualitäten als Programmmacher.

Koch beißt sich vor allem am Quotenschwund von "heute" fest. Von im Jahresschnitt 4,86 Millionen Zuschauern stürzte die Hauptausgabe seit Brenders Antritt 2000 auf 3,96 Millionen. Das ZDF muss befürchten, bald weniger "heute"-Fans zu haben als RTL für sein News-Angebot.

Einerseits kommt einem prompt die Gegenfrage in den Sinn, ob in dieser Logik nicht auch Programmdirektor Thomas Bellut abgesägt werden müsste, weil sich ja immerhin auch "Wetten, dass …?" im freien Quotenfall befindet. Und andererseits genießt Brender intern großes Vertrauen. Davon zeugt nicht nur, dass Schächter mit breiter Brust für eine weitere Amtszeit plädiert, obwohl der politische Widerstand bekannt ist. Viel wichtiger ist die Solidaritätsbekundung von einem Dutzend Topjournalisten des ZDF - für Brender und gegen politischen Einfluss auf ihren Sender.

Zwar bleibt der Beigeschmack, manch einer könnte aus der Zwangslage heraus unterschrieben haben, dass ein Erfolg des Gestützten mit ihrem Karriereende einhergehen könnte, sollten sie nicht rechtzeitig Flagge gezeigt haben. Der Brief dient aber auch Brender-Befürwortern als effiziente Munition.

Martin Stadelmaier, unter Beck Koordinator für die Medienpolitik der Länder, bescheinigte Brender eine "insgesamt sehr ordentliche" Bilanz. Und Brenders Vorgänger Klaus Bresser freut sich: "Mir imponiert, wie sich alle leitenden und bekannten Mitarbeiter des ZDF hinter den Chefredakteur stellen."

Klar ist: Sollte Brender diesen Machtkampf gewinnen, wäre er die nächste Zeit "untouchable".

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3 Kommentare

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  • A
    Adrian

    Unerhört, was Herr Koch da versucht. Für mich ist das ein klarer Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken und das dürfen wir nicht dulden.

     

    Deshalb war es wichtig, dass die hochkarätigen ZDF-Mitarbeiter dem Intendanten Solidarität zugesichert haben.

     

    Aber auch wir als Zuschauer sollten das unbedingt tun und zeigen, dass wir uns nicht alles bieten lassen. Unter www.brender-muss-bleiben.de kann seit gestern ein offener Brief an den Intendanten online unterschrieben werden.

  • M
    Martin

    Wenn immer weniger "heute" sehen, wo hauptsächlich über Politik informiert wird, und immer mehr die Nachrichten der Privatsender sehen, wo eher der Schund "aus aller Welt" berichtet wird, dann ist es ungeheuerlich dreist, daß ein Politiker dies einem Jounalisten zum Vorwurf macht. Der Jounalist müßte sich umgekehrt beim Politiker beschweren. Die Zuschauer ertragen es einfach nicht mehr, wenn sie auch noch in den Nachrichten von der Müllpolitik erfahren.

  • G
    GonZoo

    Und da dachte ich immer, die politisch linken Lager seien oft untereinander zerstritten...

     

    Offenbar gibt es auch innerhalb der traditionell auf Kadavergehorsamsgeschlossenheit dressierten Unionisten einige Bruchstellen.

     

    Daß ein wahrlich CDU-naher Sender wie das ZDF als Sparten-TV für Rentner einem Herrn Koch noch nicht rechts genug ist, sagt mehr über Koch als über das ZDF aus.

     

    Der von ihm bestens gleichgeschaltete Hessische Rundfunk betreibt Hofberichterstattung aus der Staatskanzlei, da kann man das Endprodukt seiner Medienpolitik sehen, denn der HR hat sein Mojo verloren. Schade, war mal ein interessanter Sender.