Ypsilanti-Wahl mit Linke-Stimmen?: SPD ringt um Haltung
Die SPD wundert sich über Becks Egotrip. Laut SPD-Rechte wäre eine Ypsilanti-Wahl mit Linke-Stimmen "Wortbruch" - SPD-Grande Eppler rät: Nur nein sagen reicht nicht.
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Wollte man die Stimmung in der SPD in einer Geste zusammenfassen, so wäre es das Händeringen. "Unglücklich" und "nicht hilfreich" findet man lagerübergreifend Kurt Becks Vorschlag, Andrea Ypsilanti solle sich in Hessen auch von der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen, aber nicht mit ihr zusammen arbeiten. Auch SPDler, die loyal zu Becks Kurs stehen, finden Stil und Zeitpunkt kurz vor der Hamburgwahl von Becks deutungsoffener Kurskorrektur "nicht nützlich". Einige, wie der sonst recht auskunftsfreudige SPD-Linke Ottmar Schreiner, wollen sich lieber gar nicht äußern.
SPD-Chef Beck erklärte am Freitag, zum Thema Linkspartei sei nun alles gesagt. Allerdings gelang es ihm damit nicht, die Debatte über die Linkspartei, die er selbst mit einem Hintergrundgespräch am Montag eröffnet hatte, zu beenden.
Die SPD-Rechte, die sich im Seeheimer Kreis zusammengeschlossen hat, wurde am Freitag deutlicher. Eine Wahl Ypsilantis mit Stimmen der Linken sei, so ein Papier der Seeheimer, eine "stillschweigende Hinnahme" und damit jene Zusammenarbeit, die Beck doch ausschließe. Wenn sich Ypsilanti von der Linksfraktion zur Ministerpräsidentin wählen lasse, wäre dies "Wortbruch". Damit wiederholten die Seeheimer jene Vokabel, mit der CDU/CSU und FDP Beck seit Freitag angreifen.
Der Seeheimer Johannes Kahrs meint zur taz, eine Wahl Ypsilantis mit Stimmen der Linken wäre mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 "eine Katastrophe". Das Nein zur Linkspartei gelte prinzipiell und sei auch durch die Aussicht, dass Roland Koch in Hessen weiter geschäftsführend regieren könne, nicht zu erschüttern.
Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der Parlamentarischen Linken, sagte der taz, dass die Frage, ob sich Ypsilanti von der Linken wählen lasse, im Moment "nicht unsere Diskussion" sei. Man hoffe noch immer auf einen Sinneswandel der FDP und will offenbar kein Öl mehr ins Feuer gießen.
Der Kieler Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels warnte vor einem Flügelkampf wegen der Linkspartei. Dies würde das Bild der SPD weiter beschädigen. Bartels, der den Netzwerkern nahesteht, aber wirtschaftspolitisch eher linke Positionen vertritt, sagte der taz, dass nichts prinzipiell gegen eine Wahl Ypsilantis mit Stimmen der Linken spreche. Doch das Risiko, dass sie bei der geheimen Wahl an der Linken oder Dissidenten aus den eigenen Reihen scheitert, sei "zu groß". Rot-Grün hat dort mit der Linksfraktion nur zwei Stimmen Mehrheit.
Auch Vertreter von rot-roten Bündnissen im Osten warnen vor einer solchen Wahl. Der frühere Thüringer SPD-Chef Richard Dewes fürchtet, dass eine Wahl Ypsilantis mit Stimmen der Linken als "Wählerbetrug" empfunden würde.
Im Hintergrund mehren sich Stimmen, die Becks Führungsrolle in Frage stellen. Deutliche Kritik wird es aber erst nach der Hamburgwahl am Montag auf den Sitzungen der Parteigremien geben.
Erhard Eppler, der Vordenker der Partei, sagte der taz: "Alle in der SPD sollten den Grundsatz ernst nehmen, dass, wer Nein sagt, immer auch eine Alternative haben muss. Er muss wissen, was anstelle des Nein kommen soll." Sibyllinisch formuliert, aber in der Richtung klar. Die SPD hat sich mit ihrem generellen Nein zu jeder Zusammenarbeit mit der Linkspartei in Hessen in eine Sackgasse manövriert. Dort kommt sie nur wieder heraus, wenn sie Alternativen ins Auge fasst. Und das klüger anstellt als Beck.
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