Yoga-Guru Thurman über Männlichkeit und Familie: "Wir sind ein großer Haufen Deppen"

Uma Thurmans kleiner Bruder Dechen findet bei Yoga seine männliche Stärke. Seine Familienkonstellation, sagt er, ist genauso toxisch wie jede andere auch.

Kopfstand, mal seitlich gesehen: Dechen Thurman. Bild: Daniel Francisco Valdez

taz: Herr Thurman, viele Männer behaupten, dass Männer, wenn sie überhaupt Yoga machen, das nur tun, um an die ganzen heißen Frauen dort ranzukommen.

Dechen Thurman: Ich kann daran nichts Negatives finden. Ja, man hat eine nette Aussicht, das stimmt. Was auch immer die Leute dazu bringt, zum Yoga zu gehen, ist erst mal gut. Aber es ist definitiv zu anstrengend, um sich nur darauf zu konzentrieren. Der Fokus verschiebt sich mit der Zeit auf die körperlichen und geistigen Vorteile.

Ihre Yoga-Kurse werden zu etwa 95 Prozent von Frauen besucht - warum ist das so?

Das frage ich mich auch. Traditionell ist es ja eher so gewesen, dass die Männer Yoga machen. Der Trend ist in unserer Kultur ironischerweise umgekehrt. Aber es werden immer mehr Männer im Unterricht. Außerdem gilt es auch beim Yoga, die weibliche Seite der Auf- und Hingabe, Entspannung und Flexibilität zuzulassen. Das gilt für Männer und Frauen.

Und warum machen Sie Yoga?

Ich fühle mich dadurch vital und männlich, ohne mit jemandem in Konkurrenz treten zu müssen. Es gibt, wenn man älter wird, ja keinen Sportunterricht mehr, außerdem war der häufig negativ besetzt. Beim Yoga findet man als Mann sein Körpergefühl und seine Stärke, aber ohne Gewalt. Das gilt auch für die männliche Seite bei Frauen.

Sie sind in einer buddhistischen Familie aufgewachsen und Sie und ihre drei Geschwister haben tibetische Namen - führt so eine Erziehung direkt zum Yoga?

Nein, erst mal hab ich mich davon, so weit es geht, entfernt. Ich habe, wie meine Schwester Uma, eine starke Verbindung zur Schauspielerei und war auch auf der Schauspielschule. Mir diente Yoga damals zunächst als eine Art Entspannung vor dem Bühnenauftritt, so dass ich mich spontaner und authentischer fühlte, mehr Zugang zu meinen Gefühlen bekam.

Die Familie spielt also keine Rolle?

Es hat viele Vorteile, wenn die eigene Familie sich mehr auf Spiritualität konzentriert, während die Umwelt sehr materialistisch orientiert ist. Aber es kann auch isolieren. Zu viel von diesem Zeug wirkt auch ausgrenzend, wenn man zum Beispiel so gar nicht konkurrenzorientiert ist.

Der 38-Jährige ist "Advanced Certified Jivamukti Yoga Teacher" am New Yorker Jivamukti Yoga Center. Sein Vater, Robert Thurman, ist Professor und ein Freund des 14. Dalai Lama. Er war der erste zum tibetisch-buddhistischen Mönch ernannte US-Amerikaner und hat zusammen mit dem Schauspieler Richard Gere das Tibet House in New York gegründet. Dechen Thurman selbst traf den 14. Dalai Lama das erste Mal im Alter von sieben Jahren in Indien. Neben seiner Arbeit als Yoga-Lehrer betätigt er sich auch als Film- und Theaterschauspieler und spielte zum Beispiel in Filmen wie "The Truth About Cats and Dogs", "Hamlet", "Zoolander" und "Gods and Generals" mit.

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Jivamukti Yoga

Diese Art Yoga wurde 1984 von David Life and Sharon Gannon entwickelt und steht unter Markenschutz. Filialen, in denen diese Yogamethode gelehrt wird, gibt es in New York, Berlin, London, Sydney, München und Charleston. Jivamukti gehört zu den Stilen des Hatha Yoga. Die anderen acht sind: Ashtanga, Iyengar, Viniyoga, Sivananda, Integral, Bikram, Kripalu und Kundalini. Die Jivamukti-Klassen beinhalten fließende Vinyasa Sequenzen, Pranayama (Atemübungen), Meditation, Sanskrit Chanting, yoga-philosophische Exkurse und eine Tiefenentspannung am Ende. Musik spielt eine wichtige Rolle.

Und jetzt?

Jetzt unterrichte ich acht Yogastunden in der Woche und biete Yoga-Reisen nach Asien an, häufig mit meinem Vater, Robert. Er ist Professor für indo-tibetische Studien an der New Yorker Columbia University.

Ihre Kurse sind immer voll und Sie sind ein international begehrter Festival-Gast und Workshop-Lehrer. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Erfolg kommt und geht. Ich bin manchmal sehr traditionell, und dann wieder ist der Unterricht sehr wild. Mein Konzept ist eigentlich, nicht immer eines zu haben, sondern darauf zu vertrauen, dass ich entsprechend auf die Energie im Raum reagiere. Darauf, ob die Leute noch quatschen oder sich schon aufwärmen, ob es heiß oder kalt ist draußen, was es für aktuelle Geschehen gibt, über die die Leute sich vielleicht Sorgen machen.

Warum gibt es jede Woche ein bestimmtes Thema, so wie "Die 5 Koshas" oder "Shanti/Shakti - Einatmen/Ausatmen"?

Das ist eine Möglichkeit für die Studios, ihre Kurse zu bewerben, gleichzeitig aber auch, den Leuten etwas beizubringen. Wissen über den Körper, Yoga-Geschichte, Lebensstil und Politik. Zum Beispiel dass ein Yogi 24 Stunden am Tag ein Yogi ist, zwei Stunden davon mindestens auf der Matte!

24 Stunden, wie das?

Es ist die Art und Weise, wie wir auf Situationen reagieren. Asanas sind mehr als eine Körperhaltung, sondern auch eine geistige. So sollen wir beispielsweise eine Situation für mindestens fünf Atemzüge annehmen. Manche Situationen mögen wir, andere nicht. Aber wenn wir in jede dieser Situationen hineinatmen, gelangen wir zu einer Objektivität, die zum Glücklichsein beiträgt.

Welche Rolle spielt dabei das Essen?

Eine sehr wichtige. Yogis sind in der Regel Vegetarier.

Aus moralischen Gründen?

Ganz und gar nicht. Für mich ist es eine rein biologische Frage. Wir schließen keine Fleischesser aus, obwohl wir es vorziehen, Vegetarier oder Veganer zu sein. Aber Fleischesser müssen sich für dasselbe Resultat doppelt so sehr anstrengen wie Vegetarier. Du kannst während des Unterrichts feststellen, was dir der eigene Körper gestattet, auf der Grundlage dessen, wie du ihn bis jetzt behandelt hast. Und dann kannst du selbst entscheiden, ob du etwas ändern möchtest. Allerdings sollte man sich auch der Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Umwelt bewusst sein. Und dann gibt es noch das Karma-Argument, das gegen das Fleischessen spricht. Man strengt sich durch Yoga an, um das schlechte Karma loszuwerden, und dann häufst du es mit dem Fleischessen wieder an.

Ist Yoga vielleicht deswegen so beliebt, weil viele Menschen darin einen Lifestyle erkennen?

Ich denke schon. Das Frustrierende als Umweltschützer ist ja, dass man sich eines Riesenproblems bewusst wird, das man nicht ändern kann, obwohl man Vegetarier wird und recyclte Produkte benutzt, während der Nachbar fröhlich weiterverschmutzt. Aber jeder leistet seinen Beitrag, und wenn ich das Essen in den Dienst der Umwelt stelle, dann entscheide ich mich gegen stark subventionierte Unternehmen, die verhindern, dass die Leute einen vernünftigen Preis für Fleisch zahlen. Über so etwas sprechen wir auch beim Yoga.

Was geben Sie Ihren Schülern mit?

Ich gebe ihnen die Möglichkeit, sich mit ihrem Leben auseinanderzusetzen und ihren Körper einer Sache zu widmen, Sensibilisierung dafür, dass Materialismus und Globalisierung weltweite Probleme verursachen. Es geht bei der Themenwahl für eine Yoga-Stunde ja nicht immer um ein veganes, umweltbewusstes Leben, aber immer um Gewaltlosigkeit. Es kann auch um mehr Toleranz gegenüber negativen Gefühlen in der eigenen Familie als Thema einer Stunde gehen.

Und wie funktioniert das in Ihrer eigenen Familie?

Wir sind ein großer Haufen Deppen, der einander nicht richtig zuhört. Das Ganze ist genauso toxisch wie jede andere Familienkonstellation. Aber meine Geschwister und ich sprechen viel miteinander, sehen uns häufig und tragen uns nichts nach, hoffe ich. Ich bin sehr stolz auf meine Familie, aber jetzt im Alter auch weniger als je an ihr interessiert. In einer gesunden Art. Man braucht einen gewissen Grad an Unabhängigkeit, damit es für alle eine gesunde Verbindung ist.

Wenn alle Yoga machen, wird alles besser?

Yoga ist nicht das einzig Wahre. Fitnessstudios sind doch auch super, verschiedene Sportarten, wie Pilates, ebenfalls prima. Die Entspannung, das Selbstbewusstsein und die Disziplin, die man aus dem Fitnessstudio mitnimmt, bringt anderen genauso viel wie Yoga uns Yogis.

Haben Sie das Bedürfnis nach Missionierung?

Wir glauben, dass der beste Weg, das zu bekommen, was man will, der ist, es anderen zu geben. Ich sage niemandem, er soll aufhören, zu tun, was er tut, und stattdessen lieber Yoga machen. Ich selbst habe von meinen Lehrern gelernt, wie ich mich am besten verkaufe, indem ich ihre Marke "Jivamukti Yoga" verkaufe. Dadurch bin ich dann wieder unabhängiger geworden.

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