leben in funnyland: YVES EIGENRAUCH verirrt sich im Labyrinth
„mir gehts so lala“
andy warhol rief mich gerade an und fragte nach mir. seine retrospektive in berlin sei schließlich zu ende und ich hätte nicht vorbeigeschaut. er will mich in kürze wieder anrufen. was soll ich ihm sagen?
es ist dunkle nacht in berlin. und ich schicke endlich die mail an mich ab, die ich heute schon so lange geschrieben, aber zwischen hektik und stress nicht senden konnte. und jetzt probiere ich zum ersten mal aus, wie worte per handy und laptop einfach durch die luft fliegen, ohne dass ein kabel in die wand geht. das ist ja vollkommen verrückt. huaaah, das high-tech-fieber hat mich erfasst. bye for now!
wochenendsonne ohne viele dunkle wolken. mir gehts so lala. kaum zeit zum luftholen. unbeschreiblich viel arbeit, und heute eine dreistündige veranstaltung. wenigstens ist meine reiserei vorbei. dafür im büro von früh bis spät und gerne auch am wochenende.
fazit: ich brauche zerstreuung. und ich sehe das so: ich habe ganz viel zeit und ganz wenig. was ich wollte, will ich. hm. montag geht wahrscheinlich nix. dienstag ginge was. da spielt übrigens um 20 uhr bayern in der arena. würde mich vielleicht interessieren. aber ich bin indifferent. hm.
mittwoch wird gefeiert. da geht wirklich nix. am feiertag, und sonst so, habe ich keine nennenswerten pläne. heute? morgen? treffen? telefonieren? vergraben? aufraffen? wolken? sonne? aufgeben? geduld haben? n-n-n-n-j-n-j-n-j-n oder anders? ich plädiere jedenfalls für ein j an sechster stelle. und bin auch nicht mehr so knatschig wie letztens. versprochen.
ich habe das gefühl, ich habe mich am anfang eines labyrinths ausgesetzt und suche mir gerade darin einen weg. vielleicht der erkenntnis. es ist sehr komplex, wie ich inzwischen erkannt habe. vielleicht mache ich es aber auch nur sehr komplex, damit ich nicht den weg erkenne. und vielleicht bin ich mir dessen auch gar nicht bewusst. im verlaufe des denkens widerspreche ich mir häufig.
da werden aussagen vom anfang stunden später völlig aufgehoben oder stark abgeändert. ist das rabulistik in denkender form oder sind es eigentlich zwei voneinander unabhängige gedanken? und ich habe das nur noch nicht erkannt.
fragen: habe ich das bewusst lanciert oder findet das unbewusst statt? ist mein kopf so voll, dass die verschiedensten aussagen zum teil nur so ungeordnet raussprudeln? ich versuche, in meinem kopf mich über das labyrinth zu erheben und es von oben zu betrachten, damit ich den weg heraus erkenne. vielleicht habe ich mich auch gar nicht am anfang ausgesetzt, sondern ich bin von einem vorbeifahrenden bus dort abgesprungen.
zwischendurch mache ich aussagen von entwaffnender offenheit, die mich überraschen. da ist in dem labyrinth plötzlich ein ganz breiter weg, während vorher alles ganz eng und unübersichtlich erschien. diese breiten wege werde ich mit sicherheit noch sehr genau aufspüren und ihnen zu folgen versuchen.
vielleicht ist das alles nur ein spiel für mich, bewusst oder unbewusst. und das ziel ist es, das spiel zu spielen und nicht es zu ende zu bringen. aus meiner sicht wäre das unnötig, wenn die motivation wäre, dass das spiel spaß bringt und ich es daher nicht beenden will, denn ich kann mir versichern, dass das spiel nur zwischenergebnisse liefern kann. es ist eigentlich nie vorbei. daher kann ich getrost ein ende anstreben. es wird nur eines von vielen sein. und ich kann weiterspielen. sonniger tag.
was gibt es schöneres, als ein fußballspiel zu gewinnen?
Fotohinweis:Yves Eigenrauch, 30, ist Angestellter des FC Schalke 04, hat aber kürzlich seine sportliche Laufbahn beendet und bekommt gelegentlich eine Telefonverbindung ins Jenseits
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