YOANI SÁNCHEZ POLITIK VON UNTEN : Ehrendoktor für Atomschurke
Kubas Machthaber helfen Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad aus der internationalen Isolation
Als Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad vor einer Woche in Kubas Hauptstadt Havanna aus dem Flugzeug stieg, erwartete ihn weder eine Begrüßungs- noch eine Protestkundgebung. Keine Schwulengruppen protestierten gegen den Umgang mit Homosexuellen im Iran, und Kubas interne Opposition war mehr mit den polizeilichen Festnahmen der vorangegangenen Tage beschäftigt als mit der Ankunft des umstrittenen Würdenträgers. So viel Gleichgültigkeit muss jemandem, der es gewohnt ist, flammende Emotionen zu erwecken, eigentlich seltsam vorgekommen sein. Im großen Vorlesungssaal der Universität von Havanna, umgeben von den mächtigsten Akademikern – oder den akademischsten Machthabern –, erhielt er die Ehrendoktorwürde.
Seine Aufrufe, „eine neue Ordnung zu suchen, eine neue Sichtweise, die allen Menschen Respekt entgegenbringt“, klangen aus seinem Munde ausgesprochen paradox, aber niemand stand auf, um ihm zu widersprechen. Stattdessen gab es langen Applaus für diesen Mann mit den winzigen Augen, der den nächsten Weltkrieg auslösen könnte. Unser Präsident Raúl Castro empfing ihn im Revolutionspalast, um seine Unterstützung für das iranische Atomprogramm zu bekräftigen. Und so konnte Ahmadinedschad schließlich auch ein Familienfoto mit Castro mitnehmen – jene öffentliche Anerkennung, die er hier gesucht hatte.
Bei seiner Reise durch Lateinamerika traf Ahmadinedschad zwei Arten von Verwandten. Sowohl Venezuelas Präsident Hugo Chávez als auch Ecuadors Präsident Rafael Correa können Iran nicht nur politische Unterstützung anbieten, sondern auch Wirtschaftsabkommen, die der Iran braucht, um die Folgen der ökonomischen Sanktionen gegen das Land zu lindern. Kuba hingegen erscheint da wie ein kleines Kind, ohne Rede- und Stimmrecht, das man aber trotzdem mitnehmen muss, weil es etwas anderes zu bieten hat: Ein Treffen mit Fidel Castro, von dem Ahmadinedschad vor seiner Abreise glücklich der internationalen Presse berichtete. Ahmadinedschad brauchte diesen diplomatischen Kontakt, um die internationale Isolierung zu durchbrechen, die Iran seit Monaten erfährt, und Havanna spielte bei seinen Plänen mit.
Doch das birgt auch ein Risiko für Kubas Machthaber. Mit dem Besuch Ahmadinedschads vereinen sich die Anfeindungen gegen Iran und Kuba zu einem einzigen Chorgesang. Als Kompensation dieser öffentlichen Brandmarkung stehen, so versichert es die staatliche kubanische Presse, die Bemühungen um eine Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Erst in ein paar Wochen wird man die Wirkungen des Besuchs einschätzen können. Erst dann werden wir auch sehen, ob die kubanische Regierung – wie das zappelige Kind auf dem Familienfoto – wieder aus dem Bild hüpft und sich um unsere nationalen Probleme kümmert. Oder ob sie es stattdessen vorzieht, weiterhin Teheran die Hand zu reichen, damit viele auf der Welt herauszufordern und gleichzeitig den Blick von den nationalen Schwierigkeiten abzulenken.
■ Die Autorin lebt als unabhängige Bloggerin in Havanna Foto: dpa