ausgehen und rumstehen : Wunder was in der Freitagsküche
Ach, warum ist das Gras woanders immer grüner! Denn andere Leute schwärmen von ihren tollen Erlebnissen, waren auf rauschenden Festen im China Club, bekamen im Dom-Perignon-Salon immer wieder ungefragt nachgeschenkt, durften Udo Walz kennen lernen und mit ihm über sein neues Buch „Waschen, Schneiden, Leben“ plaudern, wurden von der Phaeton Lounge aus mit dem gleichnamigen Wagen nach Hause gefahren!
Aber was macht das schon, wenn man dieses Jahr auf keiner einzigen Berlinale-Party war – schließlich war man doch zur Babyparty am Sonntagnachmittag eingeladen, von der es hieß: Auch Leute ohne Kinder sind willkommen! Nur, was soll man als Kinder- und Elternhasserin auf einer Babyparty? Und wohin soll das führen, wenn jetzt in Prenzlauer Berg schon die halbjährigen Geburtstage des Nachwuchses gefeiert werden?
Die momentan etwas maue Ausgehsituation ist nämlich nicht auf die Überalterung, sondern Überelterung unserer Gesellschaft zurückzuführen. Jetzt machen schon Frühdreißiger schlapp, werden besinnlich oder gründen Familien, bald wird der erwachsene Mensch mit 20-Jährigen abhängen müssen, weil sonst keiner mehr übrig ist da draußen. Ach, die Zukunft liegt in der Finsternis und macht das Herz uns schwer.
Am Samstagabend jedoch gab es noch ein geselliges Beisammensein in der Freitagsküche. Das ist ein aparterweise leer stehendes Ladenlokal in Mitte, das – verrückt, aber herrlich verrückt – gar nicht in echt leer steht, sondern in dessen Keller internationale Designerware feilgeboten wird. Dort hatte man einen langen Tisch aufgestellt, eine Küche und eine Bar provisorisch aufgebaut. Von außen sah das Ganze täuschend echt nach Berlinaleparty aus. Und der ein oder andere anonyme Autofahrer vom Alexanderplatz oder ein unwissender Passant, der an den großen Schaufensterscheiben vorbeilief, dachte vielleicht sogar wunder was oder verspürte zumindest ein wehes „Wenn die andern feiern“-Gefühl in der Brust.
Drinnen saß man gesellig beisammen, nach dem Essen wurden Expeditionen zum sterbenden oder wiederauferstandenen Goya am Nollendorfplatz geplant. Man sprach aber auch über berühmte Szene-Metzger im hinteren Neukölln und über die kulturelle Bedeutung der Blutwurst in Süddeutschland, im Elsass und in der Normandie.
Die Expedition ins Goya wurde dann wieder abgeblasen, ein heißer Ausgehtipp führte ins Kino International, wo norwegische Filmer – oder doch nur Künstler? – eine Party geben sollten. Die Norweger waren wohl schon abgereist und die Stimmung schon sehr, sehr chillig, und so saß man bei einem Glaserl Wein in den bequemen Klubsesseln und ließ das aufregende Wochenende langsam ausklingen. CHRISTIANE RÖSINGER