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Wortkunde

Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm findet sich Überfordern zwischen „Überflutung“ und „Überformen“ – das spricht erst mal für sich. Im Weiteren erklärt das unverzichtbare Werk, dass jemanden zu überfordern bedeute: „mehr fordern, als üblich oder recht ist“; und wer müsste da nicht an den Vater des kleinen Aylan Kurdi denken, der den Europäern ganz offensichtlich dieses angetan hat, nämlich mehr von ihnen zu fordern, als üblich oder recht ist, und der durch diese ÜBERFORDERUNG des menschenfreundlichsten aller Kontinente das Leben seines dreijährigen Kindes aufs Spiel setzte und es schließlich verlor.

Die erstaunliche Karriere, die der Begriff aus dem Alternativsprech der 1970er Jahre bis in höchste Regierungskreise heute gemacht hat, konnten die Grimms nicht erahnen und schon gar nicht dokumentieren. War etwas in den seligen sozialliberalen Müslizeiten wahlweise eine Überforderung für die WG, die Beziehung(skiste) oder für Väter, die mit ihren Kindern nichts zu tun haben wollten (Selbstverwirklichung), so gibt sich heute ausgerechnet die Nation mit dem weltweit zweitgrößten Überschuss in der Handelsbilanz von ein paar hunderttausend Flüchtlingen überfordert. Was wird, wenn die Überforderung nicht von höchster Stelle beendet wird? „Kippt dann die Stimmung?“, wie jeden Morgen im Staatsrundfunk gefragt wird? Und was heißt das, wenn „die Stimmung kippt“: Heidenau? Auschwitz? Oder doch nur: Oktoberfest? AW

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