Workshop zur digitalen Bildung: Mehr als nur zocken

Bei der Code Week lernen Kinder, wie man Spiele programmiert. An deutschen Schulen fehlen dafür geeignete Lehrkräfte.

Eine Gruppe Kinder starrt gebannt auf Bildschirme und spielt Computerspiele.

Diese Kinder spielen „nur“, bei der Code-Week lernen Kinder Computerspiele programmieren. Foto: ap

BERLIN taz | Rosa möchte später mal keine Programmiererin werden. Die Elfjährige sitzt trotzdem vor einem Bildschirm und tippt Codes von einem Blatt Papier ab. Die Programmcodes sind das Grundmuster für ein einfaches, aber charmantes Tablet-Spiel: Eine selbst gezeichnete Katze muss dabei so viele flinke Comic-Mäuse wie möglich jagen und fressen.

Schnell versteht Rosa, welche Funktionen die verschiedenen Codes haben. Einer lenkt die Katze über das Spielfeld, ein anderer programmiert die Mäuse. „Ich will eben wissen, wie das funktioniert“, sagt Rosa. „Die Spiele sehen ja immer so einfach aus, wenn man sie spielt, aber sie zu machen ist so aufwändig.“ Sie verändert einen Zahlenwert im vorletzten Absatz. Die Mäuse rennen nun noch schneller.

Fast zwei Dutzend Kinder lernen bei diesem Workshop, was hinter den Grafiken und Animationen der Computerspiele steckt, die Teil ihres Alltags sind. Sie sitzen an einer großen Tafel in einem hellen Coworking-Space im schicken BerlinMitte, direkt neben einem bekannten Luxushotel. Im Rahmen der Code Week, die gerade in Berlin, Hamburg und vielen anderen Städten Deutschlands und Europas stattfindet, sollen Kinder spielerisch dafür begeistert werden, dass sie Digitales nicht nur nutzen, sondern auch gestalten können. Eine eigene App entwickeln, mit verdrahteten Bananen ein virtuelles Schlagzeug bedienen, den eigenen Kopf mit einem 3-D-Drucker auf eine Actionfigur setzen.

Etwas mehr als einhundert solcher Veranstaltungen gibt es in ganz Deutschland während der Code Week, die vor drei Jahren von der Europäischen Union initiiert wurde. In Deutschland organisiert sie das Design Research Lab der Universität der Künste (UdK) Berlin. Das Lab sammelte Workshop-Ideen von Hackern, Programmierern und Bildungsinitiativen, die ein ähnliches Motiv antreibt: „Wir möchten Kinder ans Programmieren heranführen, damit sie schon früh die Mechanismen dahinter verstehen“, sagt Iwan Gabovitsch, der Rosas Spiele-Workshop leitet.

Günther Oettinger,EU-Digitalkommissar

„Es wäre hilfreich, wenn die Schulen nächstes Jahr ander Code Week teilnähmen“

Deutschland hinkt hinterher

Bei den Veranstaltungszahlen hinkt Deutschland wie auch im vergangenen Jahr noch weit hinter Ländern wie Irland, Griechenland oder Polen her. Die erste Code Week hat man sogar ganz verschlafen. Das zeige den geringen Stellenwert, den die Vermittlung von IT-Kompetenzen an Kinder in Deutschland habe, sagt Gesche Joost, Udk-Professorin und Schirmherrin der Code Week in Deutschland. „Das ist fatal, denn in Zukunft wird man auf dem Arbeitsmarkt noch weniger Chancen haben, wenn man diese Kompetenzen nicht besitzt.“ Um das zu vermeiden, müsse der Schulunterricht auch digitale Kompetenzen vermitteln, fordert Joost.

Das scheint ambitioniert, denn in den Schulen fehlt es an vielem. Nach der internationalen Vergleichsstudie ICILS zu Folge bemängeln über 40 Prozent der Lehrer in Deutschland, die Computer an ihren Schulen seien veraltet, der Internetzugang zu langsam oder instabil. Vor allem fehlt es aber an kompetenten Lehrkräften, auch in Zukunft. In den meisten Bundesländern ist Informatik kein vollwertiges Pflichtfach, daher wählen es nur wenige Lehramtsstudenten an den Universitäten. Politische Vorgaben, die das ändern könnten, fehlen.

Auch weil sich aus dem Thema digitale Bildung kaum politisches Kapital schlagen lässt. Es würde Jahre dauern, Lehrer mit großem IT-Fachwissen auszubilden und an die Schulen zu bringen. Hinzu kommt, dass der Bund zwar viele Absichtserklärungen für „mehr digitale Bildung“ aufstellt, die Landesregierungen sich aber – wenn überhaupt – nur langsam bewegen.

Die Code Week findet von 10. bis 18. Oktober statt. Die meisten Veranstaltungen finden in Berlin, Hamburg, Karlsruhe, Köln und im Rhein-Neckar-Dreieck statt. Eine Auswahl:

Donnerstag (Köln): In der Stadtbibliothek lernen Kinder ab acht Jahren, wie sie mit einer kleinen Platine namens „Makey Makey“ eine Tastatur aus Knete oder ein Klavier aus Bananen basteln können.

Donnerstag (Berlin): Kinder ab vier können an der Universität der Künste Löten lernen, eigene „Reflectimals“ basteln, kleine Anhänger in Tierform mit leuchtenden Augen.

Samstag/Sonntag (Dresden): Im Medienkulturzentrum können sich Jugendliche beim Workshop „Tüfteln, Coden, Bauen“ am 3-D-Drucker austoben oder kleine Roboter basteln.

Vollständiges Programm unter: www.events.codeweek.eu

Geht es um den Ausbau digitaler Bildung, ist Deutschland bis auf weiteres auf engagierte Lehrer, Eltern oder Initiativen aus der Zivilgesellschaft angewiesen. Ein Engagement, das die Veranstalter mit aus der Wirtschaft gestifteten Preisgeldern unterstützen wollen.

Einer der diesjährigen Preisträger ist Iwan Gabovitschs „Junge Damen machen Spiele“. Der Programmier-Workshop, der bei der Code-Week-Eröffnung auch Rosa begeisterte. Dank des Preisgeldes kann Gabovitsch Equipment kaufen, seinen Mitstreitern Honorare zahlen und seinen Workshop weiter anbieten. Momentan tourt er von Mädchenclub zu Mädchenclub, einer Art Jugendclub nur für junge Frauen, die derzeit in der Hauptstadt in Mode sind. „Ich will, dass Frauen in der Spielebranche später dieselben Chancen haben wie Männer.“

Schulen haben Defizit noch nicht erkannt

Auch die Wirtschaft wirbt dafür, die IT-Kompetenz von Kindern früh zu fördern. Nur dadurch, warnte der Branchenverband Bitkom vergangene Woche, könnte man dem heutigen und künftigen Fachkräftemangel begegnen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, steht dem kritisch gegenüber. „Sie müssen, um ein hochtechnisiertes Auto fahren zu können, auch nicht verstehen, was da unter der Motorhaube geschieht“, sagte er Anfang des Jahres in einem Interview mit dem Deutschlandradio.

Die Macher der Code Week sehen das naturgemäß anders. „Das verdammt Schüler ja dazu, dass sie nur konsumieren“, sagt Gesche Joost. „Man muss Digitalisierung aber genau verstehen, damit man weiß, was mit den eigenen Daten passiert, wenn man auf Facebook unterwegs ist.“ Und die Eltern? Die wünschen sich, dass sich ihre Kinder zumindest keine Wege verbauen. „Man solle Kindern die Chance zu geben, sich einmal für Informatik als Berufsweg zu entscheiden, auch wenn sie dann trotzdem Apotheker oder Handwerker werden“, sagt die Mutter von Maxim, der gerade mit seinen Freunden versucht, ein eigenes Spiel zu entwickeln, das ein wenig an den Klassiker „Pong“ erinnert.

Da würde es helfen, wenn nächstes Jahr ein weiterer wichtiger Akteur an der Code Week teilnähme, der dieses Mal fehlte, wie EU-Digitalkommissar Günther Oettinger in seiner Videobotschaft zur Eröffnungsfeier der Code Week kritisierte: Die Rede ist von den Schulen. Die sind dieses Jahr nämlich nicht mit von der Partie.

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