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Archiv-Artikel

Wolfsburg bekommt den „Marrakesch“

Das neue Geländefahrzeug von Volkswagen wird im Stammwerk gebaut. Dafür werden 1.000 Auszubildende übernommen – zu Bedingungen weit unter dem VW-Haustarif: Sie sollen nach dem Vorbild des 5.000-x-5.000-Modells bezahlt werden

VON BEATE WILLMS

Die eindeutigsten Verlierer sitzen in Palmela in der portugiesischen Region Setúbal. Ganz kurz hatte man im Volkswagen-Werk Autoeuropa Automóveis hoffen dürfen, künftig den neuen Geländewagen „Marrakesch“ zu bauen. Schließlich hatte VW-Markenchef Wolfgang Bernhard die dortigen Produktionskosten zur Zielvorgabe ausgerufen. Ganz haben die Zugeständnisse des VW-Betriebsrat für das Stammwerk in Wolfsburg diese zwar nicht erreicht – den Zuschlag hat die deutsche Fertigungsstätte dennoch bekommen. Gestern Morgen verkündete die Konzernleitung, dass das Allradfahrzeug ab 2007 dort gebaut wird. Und zwar von der Konzerntochter Auto 5.000 GmbH zu Bedingungen nach dem Vorbild des 5.000-x-5.000-Modells.

In der Auto 5.000 GmbH bauen seit 2001 rund 3.800 Beschäftigte den Minivan Touran. Zur Produktion des Marrakesch sollen sie Zuwachs bekommen: 1.000 Auszubildende der Volkswagen AG, die ihre Lehre im nächsten und übernächsten Jahr abschließen, so der Deal, werden von der Konzerntochter übernommen. Sie werden – wie die übrigen dort Beschäftigten – nicht nach Arbeitsstunden bezahlt, sondern müssen bestimmte Produktions- und Qualitätsvorgaben erfüllen. Die Erfahrung zeigt, dass das eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 bis 42 Stunden bedeutet. Die Bezahlung liegt so rund 20 Prozent unter dem VW-Haustarif, aber laut IG Metall immer noch auf der Höhe des Flächentarifs. Für VW ist die Idee mit den Auszubildenden ein besonderer Clou: Denn dem Konzern ist die eigene Übernahme seiner Lehrlinge, zu der er laut Tarifvertrag verpflichtet ist, schon längst zu teuer.

Die ersten Jubelrufe kamen denn auch nicht aus dem Werk, sondern von Wolfsburgs Oberbürgermeister Rolf Schnellecke (CDU), der sich „für die Stadt und die ganze Region“ freute. Damit sei die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes beantwortet – „mit einem eindeutigen Ja“. Allerdings räumte er ein, dass sich die geringeren Löhne auch auf die Kaufkraft der Wolfsburger auswirken würden. Aber „sichere Arbeitsplätze für die Zukunft sind mir lieber als solche, die man nicht halten kann“, so Schnellecke. In die gleiche Richtung argumentierte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU): Mit der Einigung sei „der Nachweis erbracht, dass industrielle Produktion langfristig in Deutschland möglich ist“.

Noch einen Schritt weiter im Kampf um den „Standort Deutschland“ ging Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Er bemühte die „Anpassungszwänge der Globalisierung“. Und wünschte sich, „dass dieses und ähnlich gute Beispiele immer mehr Schule machen“.