Wolfgang Biermann

■ „Der Menschenschinder“ vom Ex-Kombinat Carl-Zeiß-Jena verließ im November die DDR, um in Saarbrücken eine neue Karriere als Unternehmensberater zu starten.

PORTRAIT

Von Klaus Hartung

„Es war ein Leben umsonst“ - zu diesem bitteren Schluß kam Prof. Dr. Wolfgang Biermann, einst Alleinherrscher über die 75.000 Angestellten des Kombinats Carl Zeiß, Jena, Anfang Mai 1990 in einem Interview im 'Neuen Deutschland‘.

In der Tat war Biermanns Absturz ein freier Fall. 1975 Generaldirektor des Kombinats, 1976 Vollmitglied im Zentralkomitee der ehemaligen Staats- und Regierungspartei SED, „Schoßkind“ des ehemaligen Wirtschaftsministers Günter Mittag (Zeiß-Manager Zänker).

Politisch unangreifbar („Ick bin det ZK, mir kann keener“), als Nachfolger von Mittag gehandelt, bei der Bundes-SPD beliebt, galt er auch im Westen als „erfolgreicher Spitzenmanager“ ('FAZ‘) und genoß „bei westlichen Geschäftspartnern hohes Ansehen“ ('Börsenkurier‘).

Vor allem verschaffte er der DDR den heiß gewünschten Erfolg in einer Prestige-Konkurrenz. Er forcierte die Mikroelektronik und konnte nach einem Crash-Programm, das Riesensummen kostete, 1988 Honecker den berühmten 1-Megabit -Chip überreichen.

Aber bei den Mitarbeitern, vor allem im Management war er gefürchtet und verhaßt. „Das ist kein Kommunist, kein Kapitalist, sondern ein Sadist“, sagte der ehemalige Mitarbeiter Jähnert.

Einmal im Monat veranstaltete er „Rechenschaftsablegungen“, eine Art Betriebsversammlung, die er als Schauprozeß für seine Mitarbeiter praktizierte. Wenn er jemand los haben wollte, geizte er nicht mit Details aus dessen Privatleben („Wenn Du Dich um Deine Arbeit so kümmern würdest wie um Deine Freundin...“). Zu Günter Hähle, Direktor für Meßtechnik: „Und Dich treibe ich soweit, daß Du bei mir aus dem 11. Stock springst.“

Wolfgang Biermann, geboren 1927 in Leipzig, Sohn eines Buchdruckers, hatte nicht nur nach 1945 eine klassische sozialistsche Karriere gemacht (Konstrukteur, promoviert über Fragen der Kombinatsbildung); er arbeitete auch mit dem Ziel, die Konkurrenzfähigkeit der Kombinate im Vergleich zu kapitalistischen Betrieben zu demonstrieren.

Sein Alleinherrschertum hatte in Jena so viel Wut hervorgerufen, daß er schon im November Betrieb und Stadt verließ, um es in Saarbrücken mit einer neuen Karriere als Unternehmensberater zu versuchen.