: Wolf heult wurzelwärts
DANZIG Personifikation des Bösen: Der libidinös okkultistisch unterfütterte Doommetal-Crooner Glenn Danzig ist wieder da
VON FRANK SCHÄFER
Neben wegweisenden Alben der Beastie Boys und der Deathmetal-Band Slayer war das titellose Debütalbum von Danzig die dritte frühe Großtat des bei seinem Erscheinen 1988 gerade mal 25-jährigen US-amerikanischen Produzenten und DefJam-Labelchefs Rick Rubin. Noch bevor die neue Band von Glenn Danzig, damals frischgebackener Ex-Misfits-Sänger, zu hören war, wusste man bereits aus einer Musik-Express-Kritik, dass man sie gutfinden musste.
Von einem Sound war da die Rede, so roh, trocken und tiefschwarz wie aus einer fernen Zeit, und von einer Passionsstimme, die onomatopoetisch das Leiden an dieser Welt intonierte. Wie bei den „American Recordings“ des späten Johnny Cash – Roel Bentz van den Berg hat das schön illuminiert in seiner Kolumnensammlung „Die Luftgitarre“ – war es auch bei Glenn Danzig zunächst mal diese coole, unheimliche Aura, die den Effekt machte.
Das Musikalische kam viel später, aber auch das war nicht alltäglich. Mit seinem pathosschwangeren, wölfisch-weinerlichen Phrasierungen, die Rock-Patriarchen wie Jim Morrison oder, noch prähistorischer, Roy Orbison anklingen ließen, stand Danzig wie ein dunkler erratischer Block in der separatistischen Metal-Szene der späten Achtziger, die sich in unzählige Haarspray- und Höher-schneller-weiter-Fraktionen ausdifferenziert hatte, und kündete von ihren quasimythischen Anfängen.
Schinken-Glenn
„Schinken-Glenn“, wie ihn Freund und Feind bald nannte wegen seiner Fitnesssalon-gestählten Physiognomie, gab in Ton und Bild die wiedergeborene Personifikation des Bösen. In ebenso sonorem wie sinistrem Bariton predigte er seinen libidinös unterfütterten Okkultismus und warnte von Anfang an eindringlich, sich ja nicht mit ihm einzulassen. „Mother / Tell your children not to walk my way / Tell your children not to hear my words / What they mean / What they say / Mother.“ „Mother“, dieses gesungene Bewerbungsschreiben für den Job des schwarzen Mannes, wurde sein größter kommerzieller Erfolg, wenn auch mit mehrjähriger Verspätung.
Rick Rubin musste den Song noch einmal auf Platte pressen, auf „Thrall – Demonsweatlive“ (1993), bis auch der Clipsender MTV endlich etwas merkte. Zu diesem Zeitpunkt war der Spaß schon fast wieder vorbei. „Danzig 4“ im Jahr darauf beschwor noch ein letztes Mal die nocturnistische Grandezza der Band, dann brachen Danzig auseinander, und ohne die kongenialen Begleitmusiker John Christ, Gitarre, und Eerie Von, Bass, verlor sich der immer schon außerordentlich selbstbewusste Namensgeber in egomanen, billig-avantgardistischen, nur noch schwer erträglichen Industrial-Collagen.
„Circle Of Snakes“ (2004) war dann so etwas wie ein erster kleinerer Knicks vor der Metal-Orthodoxie, die ihm die Demission vom bluesinduzierten Doom nie verziehen hat. Das aktuelle Album „Deth Red Sabaoth“ könnte als weiterer Schritt wurzelwärts interpretiert werden, allerdings klingen die Gitarren weiterhin so künstlich komprimiert und kantig digital wie in den Jahren des Abfalls von der reinen Lehre, obwohl er im Studio nur feinstes 70er-Jahre-Equipment verwendet haben will. Aber dennoch ist es fast so schön wie früher.
Glenn Danzig schreibt endlich wieder eigene Songs, die diesen Namen auch verdienen. Ihre Texturen wirken integraler, hier und da gibt es sogar ein paar hübsche Harmoniefetzen, die sich im Sensorium verheddern, das klingt einfach alles nicht mehr so willkürlich und beliebig zusammengesetzt, sondern so, als hätte Danzig uns wirklich dringlich etwas mitzuteilen – auch wenn das textlich immer noch die nur leidlich mit Horror-Metaphorik übertünchten, tief aus der atavistischen Rock-Phraseologie schöpfenden Hohlförmchen sind: „I think you got trouble girl / I think that it’s time / Gonna get my ju ju bone / Take you down?“
Mit der Frau als solcher scheint der Mann sowieso ein kleines Problem zu haben. Sie ist ihm, wenn er sie nicht gerade mit seinem magischen Knochen bannen kann, nur als Todesbringerin denkbar, als „Bitch in black“, „Damned whore / Got a belt / Made of human skulls“, als „Lady in death / Have you come / For my last breath“ etc. Auch kein ganz unbekanntes Motiv im Rock ’n’ Roll mehr, nur die Konsistenz dieser Vorstellung bei Danzig, eben auch in seinen Comics, die er in Zusammenarbeit mit dem Zeichner Simon Bisley veröffentlicht, könnte einem fast ein bisschen Sorgen machen.
■ Danzig: „Deth Red Sabaoth“ (AFM)