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WohnungsmarktSenat sieht keinen Eigenbedarf

Im August läuft die Regel aus, nach der Wohnungskäufer Mieter erst nach sieben Jahren verdrängen dürfen. Linke für Verschärfung. Senat: Problem drängt nicht.

Erst sanieren, dann als Eigentumswohnungen verkaufen.. Bild: AP

Erst vor Kurzem hat Franz Schulz Alarm geschlagen. Immer mehr Finanzinvestoren und Pensionsfonds, klagte der grüne Bürgermeister, würden in Kreuzberg Häuser kaufen. Die Folge: weitere Mietsteigerungen und eine massive Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Dabei können sich die Mieter in seinem Bezirk noch glücklich schätzen. Friedrichshain-Kreuzberg ist neben Pankow, Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf einer von vier Bezirken, in denen Eigenbedarfskündigungen nach Umwandlung erst nach sieben Jahren möglich sind.

Doch diese Regelung läuft im August aus. Schon im vergangenen Oktober hat die Fraktion Die Linke deshalb einen Antrag im Abgeordnetenhaus eingebracht, die Sperrfrist für Eigenbedarf zu erneuern - und von sieben auf zehn Jahre zu verlängern. "Der Gesetzgeber im Bund hat das den Kommunen ausdrücklich erlaubt", sagt der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Uwe Doering. Doch Doering beklagt sich, dass Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die Gelegenheit nicht nutzt. "Die lässt das Ganze einfach liegen und überlegt sogar, die Frist von sieben auf fünf Jahre zu verkürzen."

Von 2004, dem Jahr, in dem die bisher geltende Regelung erlassen wurde, bis 2009 sind in Berlin insgesamt 30.000 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. "Das ist so wenig wie in keiner anderen Stadt", sagt Mathias Gille, der Sprecher von Junge-Reyer. Deshalb müsse man vor einer Neuauflage der Regelung die einzelnen Quartiere erst einmal genauer untersuchen. "Es ist allerdings falsch, dass wir in unserem Haus die Frist verkürzen wollen", versichert Gille. Verlängert werden soll sie aber offenbar auch nicht. Rechtzeitig bis August wolle die Stadtentwicklungsverwaltung eine Senatsvorlage einbringen.

Das ist nicht nur den Linken zu wenig, sondern auch dem Berliner Mieterverein. "Offenbar ist es für die Stadtentwicklungssenatorin ein ganz normaler Vorgang, dass ein Mieter seine Wohnung verlassen soll", ärgert sich Mieterverein-Geschäftsführer Reiner Wild. Er widerspricht auch Gilles Einschätzung von einer "undramatischen Umwandlungsquote": "Die Zahl der Umwandlungen steigt wieder an", sagt er und verweist darauf, dass der Senat auch 2004 eine Sperrfrist von sieben Jahren verhängt habe. "Damals war der Wohnungsmarkt noch viel entspannter als heute."

Doch der Mieterverein will nicht nur wie die Linke zehn Jahre Schutz vor Eigenbedarfskündigungen. Reiner Wild fordert auch, in den Berliner Milieuschutzgebieten die Umwandlung in eine Eigentumswohnung an sich zu prüfen. "Berlin kann das unter einem Genehmigungsvorbehalt stellen und bereits die Umwandlung um fünf Jahre verzögern", sagt der Mann der Mieter. Damit hätten die Betroffenen sogar 15 Jahre lang Ruhe. Im Senat freilich gilt diese Forderung als Tabu.

Auch der grüne Bürgermeister Franz Schulz fordert inzwischen einen Genehmigungsvorbehalt für Umwandlungen. Wie eng der Wohnungsmarkt allein im Wrangelkiez inzwischen ist, berichtete vor Kurzem das Quartiersmanagement. Demnach ist der Anteil der türkischen Mieter an der ausländischen Bevölkerung von 68 auf 46 Prozent zurückgegangen. Umso mehr Bewohner aus dem EU-Ausland würden in den Kiez ziehen. "Die Angst vor Verdrängung nimmt zu", so Quartiersmanagerin Kerstin Jahnke.

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4 Kommentare

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  • A
    alcibiades

    Kann mich __Arigo nur anschliessen. Was ist denn mit der Junge-Reyer, geht die nicht eh bald in den Ruhestand?

  • A
    Arigo

    Liebe Taz Redaktion -

     

    was ich mir wuenschen wuerde, waere ein fundierter Artikel, der sich einige Hauptakteure in der aktuellen Wohnungsmisere vornimmt, angefangen bei Junge-Reyer (JR).

     

    Folgende Fragen werden bislang nirgends in der Presselandschaft beantwortet, sind aber fuer viele Berliner wichtig:

     

    1) wie kommt Frau JR dazu, zu sagen, es hersche kein Wohnungsmangel in Berlin? In der Innenstadt aendert sich der Charakter der Stadt extrem in den letzten Jahren (wie im Artikel beschrieben), und es gilt, dem Kapital Vorzug vor irgendwelchen qualitativen Ueberlegungen von Stadtentwicklung zu geben.

     

    2) Inwiefern war Frau JR in die Howoge Affaire verwickelt?

     

    http://mobil.morgenpost.de/berlin/article1430864/Howoge-Affaere-Druck-auf-Junge-Reyer-waechst.html

     

    3) Wie ist der Filz in der Immobilienbranche? Wie haengt er mit oeffentlichen Mandatstraegern zusammen? etc etc.

     

    4) was fuer Begruendungen werden gegeben hinsichtlich des "Spreedreiecks" (grausame Architektur an der FRiedrichstrasse) und MediaSpree?

     

    Es gaebe viel zu berichten, "Mediaspree" und aehnliche Initiativen allein koennen wenig ausrichten, wenn die Presse nur oberflaechlich oder gar nicht ueber solche Fragen berichtet.

     

    Liebe Gruesse!

  • D
    daniel56

    Ja, dieser letzte Absatz ist, wohlgesonnen würde ich sagen missverständlich, übelgesonnen gar sagen dumm. Natürlich geht es dabei nicht um die "Ethnie", wie der Vorforist schon ironisch anmerkte, sondern darum, dass im Wrangelkiez viele mit alten und deshalb günstigen Mietverträgen wohnen (davon viele Türken), die jetzt mehr und mehr verdrängt werden durch neu Hinzugekommene, die sich teure Mietverträge leisten können. Es geht also nicht um die ethnische Herkunft, sondern um die ökonomische. "Multikulturelle Vielfalt" gibt es in Kreuzberg schon lange, denn dort leben Leute aus allen Kontinente zusammen - und eben nicht nur solche mit deutscher und türkischer Herkunft.

    "Ethnische" Gentrifizierung durch "Bewohner aus dem EU-Ausland": Totaler Unsinn, aber leider drückt sich taz.de oft so oberflächlich aus, dass man das missverstehen kann - oder sogar missverstehen soll?

  • G
    grafinger

    Wenn der Anteil einer einzigen Ethnie an der "nichtdeutschen" Wohnbevölkerung von über 2/3 auf unter die Hälfte sinkt ist das plötzlich kein Erfolg mulitkultureller Vielfalt mehr sondern -ja was- ethnische Gentrifizierung?