: Wohnungsmarkt im Kaufrausch
Etliche Mietwohnungen im Ruhrgebiet wechseln demnächst ihre Besitzer. Die Landesregierung setzt dabei auf Kooperation der bietenden Gesellschaften und erhofft sich eigene Vorteile
VON HOLGER PAULER
Der Wohnungsmarkt im Ruhrgebiet steht vor großen Veränderungen. Angesichts leerer Kassen versuchen vor allem die öffentlichen Träger, ihre Wohnungen zu veräußern. E.ON will seine Immobilien-Tochter Viterra loswerden. Die Essener Gagfah, eine Tochter der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), will wegen leerer Rentenkassen ihre gut 81.000 Angestellten-Wohnungen verkaufen. Gleichzeitig will die RAG Immobilien AG, 15.000 Wohnungen im Ruhrgebiet erwerben – unter Aufsicht der Landesregierung.
Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) und Städtebauminister Michael Vesper (Grüne) treffen sich Anfang Juni mit dem E.ON-Vorstand, um beim Viterra-Verkauf zu vermitteln. Viterra hatte sich zuletzt wegen des Verkaufs von 27.000 Wohnungen den Zorn der Mieter zugezogen und für schlechte Stimmung im Land gesorgt. „Es ist legitim, dass sich die Landeregierung, um die Mieter kümmert“, sagt Helmut Lierhaus vom Mieterverein Dortmund. Gerade die SPD-Klientel sei bei den letzten Wahlen zu hause geblieben. Demnächst will die rotgrüne Koalition im Landtag außerdem einen Kriterienkatalog zum Schutz der Mieter verabschieden. „Wir hoffen, dass wir in sechs Wochen so weit sind“, sagt Thomas Rommelspacher, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag.
Die Landesregierung stößt bei den Wohnungsgesellschaften damit durchaus auf positive Resonanz. „Ein Verhaltenskodex auf freiwilliger Basis ist für uns kein Problem“, sagt Volker Riebel, Geschäftsführer der Deutsche Annington Immobilien GmbH. Es sei immer einfacher, mit zufriedenen Kunden zusammen zu arbeiten. Das Düsseldorfer Unternehmen Deutsche Annington ist eine Tochter der Terra Firma. Terra ist einer von zwei übrig gebliebenen Bewerbern um die Gagfah. Zudem hat das Unternehmen Interesse an Viterra. Wie auch die RAG Immobilien AG. Der RAG-Konzern setzt auf die Entwicklung ganzer Stadtteile. „Wir begrüßen es, wenn Wohnungsgesellschaften sich zur Region bekennen“, sagt Helmut Lierhaus. Außerdem wolle der RAG-Konzern auf die soziale Balance achten.
„Der Immobilien-Markt im Ruhrgebiet ist besser als sein Ruf“, sagt Volker Riebel. Auch mittelfristig seien wenig Schwankungen zu erwarten. Es wäre aber falsch, die Verkäufe als ruhrgebietsspezifisches Phänomen anzusehen. „Bundesweit sind noch etliche Wohnungen in öffentlicher Hand, der Wohnungsmarkt wird auch in Zukunft in Bewegung bleiben“, sagt David Pascall, Geschäftsführer der Terra Firma GmbH. Vor drei Jahren hat die Deutsche Annington 64.000 Eisenbahnerwohnungen erworben. Kurzfristige Verkäufe stehen nicht an. „Wir sind ein langfristiger Investor, unsere Fonds sind auf 10 Jahre angelegt“, sagt Pascall.
Thomas Rommelspacher warnt trotzdem vor allzu großem Optimismus: „Die Gewinninteressen stehen immer noch im Vordergrund.“ Allerdings sei es gut, dass die Unternehmen aus den Fehlern der Viterra gelernt haben. Und vielleicht können alle davon profitieren: Wohnungsgesellschaften, Mieter und auch die Regierung.