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Archiv-Artikel

Wohnungen für Flüchtlinge, nein danke!

Trotz einer Vereinbarung mit dem Innenministerium erfüllen einige österreichische Bundesländer ihre Quote für die Unterbringung von Asylbewerbern nicht. Jetzt wollen auch die nicht säumigen Länder aus dem Vertrag aussteigen

AUS WIEN RALF LEONHARD

Tirol lebt vom Tourismus. Für Flüchtlinge ist da kein Platz. „Fremde, die Geld haben, und Fremde, die kein Geld haben, passen nicht zusammen.“ So brachte Christa Gangl, die Tiroler Soziallandesrätin das Dilemma auf den Punkt. Die Alpenprovinz ist Schlusslicht der österreichischen Bundesländer, was die Unterbringung von Asylbewerbern betrifft. 650 Betreuungsplätze fehlen zwischen Kitzsteinhorn und Arlberg. Das Abkommen mit dem Innenminister, gerade erst dreieinhalb Monate in Kraft, wird systematisch unterlaufen.

Nicht nur von Tirol. Sechs der neun Bundesländer erfüllen ihre Quote nicht. Die wenigen Länder, die ausreichend Wohnräume zur Verfügung stellen, wollen jetzt nicht mehr mitmachen. Vor zehn Tagen stieg der Gemeinderat der niederösterreichischen Gemeinde Traiskirchen auf die Barrikaden. Dort wurde das größte Flüchtlingslager des Landes in Erstaufnahmezentrum umgetauft, ist aber mit 1.700 Personen so überbelegt wie vorher. Den Beschwerden der Bevölkerung will der Bürgermeister mit einer nächtlichen Ausgangssperre für Flüchtlinge begegnen.

Anfang dieser Woche ließ der steirische Soziallandesrat Kurt Flecker, SPÖ, Innenminister Ernst Strasser, ÖVP, ausrichten, die Steiermark werde ihre Quote an Flüchtlingsunterbringungen nicht mehr erfüllen. Der Minister komme seiner Koordinationsaufgabe nicht nach. Strasser müsse dafür sorgen, dass die Last gleichmäßig verteilt werde. In einer Vereinbarung mit dem Innenministerium hatten sich alle Landeshauptleute verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz an Asylbewerbern zu betreuen. Ausschlaggebend ist die Bevölkerungszahl des Landes. Die Kosten werden 60:40 zwischen Bund und Ländern geteilt. Außer Wien, Niederösterreich und der Steiermark sind alle Länder säumig.

Das Abkommen soll mit der Praxis aufräumen, dass Asylbewerber, für die kein Platz ist, auf die Straße gesetzt werden. Die Länder klagen, dass weit mehr Zuflucht suchende Menschen geschickt würden, als vereinbart. Im Abkommen mit dem Ministerium sei von insgesamt 16.000 die Rede gewesen, so Kärntens Flüchtlingsbeauftragter Gernot Steiner. Derzeit müssen knapp unter 22.000 Flüchtlinge untergebracht werden. Auf Kärnten entfiele jetzt eine Quote von 1.500. Aber nur 1.095 Plätze stehen zur Verfügung.

Das neue Asylrecht, das die Wartezeit verkürzen und die Abschiebung erleichtern soll, produziert Härtefälle in Serie. Die Menschenrechtsorganisation Asyl in Not brachte vor kurzem den Fall des tschetschenischen Flüchtlings Abuschachid M. an die Öffentlichkeit. Dem Mann, der in seiner Heimat schwerer Folter ausgesetzt war, wurde der Kontakt zu seiner schwangeren Frau untersagt. Die Erstaufnahmestelle im Lager Traiskirchen hatte seinen Antrag zurückgewiesen, weil er angeblich in der Slowakei Schutz finden könne. Er wäre abgeschoben worden, wenn Asyl in Not nicht Berufung eingelegt und der Unabhängige Bundesasylsenat (Ubas) den Bescheid aufgehoben hätte.

Der Ubas hebt immer wieder Entscheidungen des Innenministeriums auf. Im Falle des Tschetschenen stieß er auf eine ärztliche Mitteilung, die wegen Folterspuren die Fortsetzung des Asylverfahrens empfahl.

„In Traiskirchen gibt es offenbar wild gewordene Beamte, die von Strasser freie Hand bekommen haben, Unschuldige zu verhaften und verschwinden zu lassen wie in einer Bananenrepublik“, tobte Michael Genner, Obmann von Asyl in Not. Dass „wir in Einzelfällen Rechtsbrüche verhindern“ können, sei erfreulich, aber zu wenig. „Das ganze System dieser Erstaufnahmestelle Traiskirchen ist eine Eiterbeule, die aufgestochen gehört.“