Wohnen in für Hartz-IV-Empfänger: Kein Platz für Arbeitslose
Die vom Senat im April beschlossene Erhöhung der Mietobergrenze für Hartz-IV-Empfänger gleicht die Mietsteigerungen bei Weitem nicht aus, stellt eine Studie fest.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Erhöhung der Richtwerte für Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern, die der Senat zum 1. Mai beschlossen hat, reicht bei Weitem nicht aus. Das besagt eine Studie des Forschungsinstituts Topos, die der Berliner Mieterverein in Auftrag gegeben und am Montag vorgestellt hat. 70.000 Haushalte liegen demnach auch mit den neuen Richtwerten über der Grenze, die das Jobcenter bezahlt.
Topos hat rund 1.000 Datensätze ausgewertet. Demnach lagen bislang die Mieten von einem Drittel aller ALG-II-Empfänger über den zulässigen Grenzen, mit den neuen Werten ist es noch immer ein Viertel. Die zulässigen Überschreitungen etwa für Schwangere oder Kranke sind bereits eingerechnet. Besonders häufig betroffen sind Alleinerziehende: Diese machen fast ein Sechstel der Betroffenen aus.
Ein Wechsel in eine günstigere Wohnung ist den Autoren der Studie zufolge meist unmöglich: „Die Chancen für ALG-II-Empfänger, durch einen Umzug in eine billigere Wohnung ihre Kosten zu senken, sind aufgrund der hohen Neuvermietungsmieten faktisch ausgeschlossen.“
Die Wohnverhältnisse von ALG-II-Empfängern, stellt Topos fest, liegen in jeder Hinsicht deutlich unter dem Berliner Durchschnitt. Sie wohnen in kleineren und einfacheren Wohnungen, die Durchschnittsmiete ist deutlich niedriger. Der Zwang zum Sparen führe dazu, „dass deutlich mehr Haushalte als in der übrigen Bevölkerung in überbelegten Wohnungen leben müssen.“ Dies betreffe fast ausschließlich Haushalte mit Kindern. In Berlin leben 30.000 Kinder unter 18 Jahren in zu kleinen Wohnungen.
Auf Kosten der Schwachen
„Die Sparpolitik des Berliner Senats wird auf dem Rücken der wirtschaftlich Schwächsten ausgetragen“, kritisiert Rainer Wild vom Berliner Mieterverein. Er wirft der neuen Verordnung zahlreiche Mängel vor: So beziehe sie sich nur auf einfache Wohnlagen, in diesen gebe es aber gar nicht genug Wohnungen. Auch seien die enormen Mietsteigerungen bei Neuanmietungen nicht berücksichtigt worden. Der Mieterverein, die Landesarmutskonferenz und der Berliner Arbeitslosenzentrum schlagen eigene Richtwerte vor: 450 Euro Bruttowarmmiete für eine Person, 490 Euro für zwei. Außerdem fordert der Verein etwa Sonderregeln für Alleinerziehende.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?