: Wohnecke auf der Straße
Autos über Autos. Viele Parkplätze — große Parkplätze. Volle Straßen, laufende Motoren, kein Weiterkommen — Rush-hour Tag und Nacht. Autos, so weit das Auge reicht. Aber immerhin, mit Katalysator und allem Drum und Dran, damit die Umwelt auch ja geschützt wird. Da, Kinder, die spielen. Wo? Na, auf der Straße. Warum? Wir brauchten neue Fabriken, und dazu mußte man leider Kinderspielplätze, Freizeitheime und Jugendheime abreißen. Aber ist ja nicht so schlimm, zur Auswahl stehen ja noch die Grünflächen, Wälder und Parks in Berlin. Daß die Wälder zwar nur aus rund zehn Bäumen bestehen, die Parkanlagen mit ein paar Sträuchern besät und auf den Grünflächen nur Wiesen und Löwenzahn zu sehen sind, sei nur am Rande bemerkt. Daß die Jugendlichen, die sich die Zeit in dem supergroßen, erst neu gebauten 15stöckigen Kaufhaus aufhalten und kurzweilig das Wachpersonal auf Trab halten, das ist nur Zeitvertreib, versteht sich. Der unangenehm muffelnde Geruch; der durch die vielen Abfallberge in den letzten paar Jahren entstand; die unheimlich vielen Massen von Menschen, die aus ihren Wohnungen geschmissen wurden, da sie die Mieten nicht mehr bezahlen konnten und daher jetzt auf den Straßen ihre Wohnecken einrichten mußten; die ständig steigende Arbeitslosenzahl; die Preise, die keiner mehr bezahlen kann; der verschärfte Rassismus, erst vor kurzem hat ein Weißer einen Schwarzen in Ketten gelegt und nacheinander alle Gliedmaßen abgesägt; die anwachsende Kriminalität und die nicht mehr so gut funktionierenden Kläranlagen, das alles und noch einiges mehr sind zwar nicht die besten Wohnbedingungen, aber schließlich wohnen wir in der Großstadt Berlin! Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, das ist doch ein Vorteil, oder?! Nicole Mücke
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