: Wohin steuern die Privaten?
Auf den „Münchner Medientagen“ bestimmten die Privaten ihren Kurs ■ Von Sabine Jaspers
Seit dem medienpolitischen Urknall, dem Start des Kabelpilotprojektes in Ludwigshafen, ist in unserer TV- Landschaft kaum etwas beim Alten geblieben. Auf den „Münchner Medientagen“ fahndeten jetzt die kommerziellen Sender nicht nur nach den „Spuren“ ihrer Vergangenheit, sondern warfen auch einen Blick in das Kursbuch ihrer Medienzukunft: „Wohin steuern die Privaten?“ lautete die Frage, die sich RTL plus, Sat1, Tele 5, Pro 7 und der Pay-TV- Kanal Premiere stellten.
„Wir sind der Vergnügungsdampfer, auf dem die Blasmusik tönt“, posaunte Peter Hoenisch ins Fachpublikum. Hoenisch hat allen Grund zur Freude: Sein Arbeitgeber RTL plus gilt als der größte und erfolgreichste deutsche Privatsender. Mit 50 Millionen Mark Gewinn allein in diesem Jahr ist man dank der hohen Publikumsresonanz (13,9 Prozent) und der entsprechend satten Werbeeinnahmen in Höhe von 1,3 Milliarden Mark auf dem besten Weg, die Anfangsverluste von 260 Millionen zurückzuverdienen. Was die Einschaltquoten betrifft, ist der in Luxemburg geborene Sender trotz seiner geringeren technischen Reichweite den Öffentlich-Rechtlichen auf den Fersen: 28 und 26 Prozentpunkte verbuchen ARD und ZDF. Im eigenen Lager wird RTL plus von Sat1 mit 9,7 Prozent verfolgt. Daneben sind Pro 7 (3,6 Prozent) und Tele 5 (2,2 Prozent) vergleichsweise private TV-Zwerge. Das Programmangebot als „Wundertüte“, die für jeden Überraschungen bietet, so zitiert Hoenisch seinen Chef Helmut Thoma, ist der RTL- plus-Schlüssel zum Erfolg. RTL plus setzte auf das „andere Programm“, um die Bedürfnislöcher des Publikums zu stopfen, die das öffentlich- rechtliche „Monopol“ offen gelassen habe. Auch mit Erotik-Programmen trage man seinen Teil zur „Grundversorgung“ bei. Von Titel, Orden, Konsulate bis hin zu Weiber von Sinnen — so viel Innovatives und Eigenproduziertes hätten ARD und ZDF nicht zu bieten. „Hella von Sinnen wäre bei denen kaum über den Pförtner hinausgekommen“, sagt Hoenisch.
Schwarze Zahlen schreibt inzwischen auch Sat1. Sieben Millionen Gewinn flossen 1990 in die Senderkasse. Sat1-Vertreter Jürgen Doetz versteht sein Angebot als „Kundendienst“. Bei Pro 7 weiß das Publikum bald nicht mehr so genau, was es hat: Der Sender, der sich als Spielfilmarchiv in der geistigen Ablage der Zuschauerhirne etablieren konnte, will mit Sendungen anderer Genres (wie beispielsweise das Pro 7 Tagesbild) neue Programmsparten erobern. Tele 5 wird sich nicht mehr nur dem jugendlichen Publikum widmen. Im „Infotainment“ scheint für Gerhard Zeiler Zukunft zu liegen.
Was ihre Ansichten, Pläne und Klagen betrifft, sind die Referenten ebenso konform wie sich ihre dunklen Anzüge, bunten Krawatten und die locker-flockig präsentierte Vortragsweise gleichen. So viel Selbstbewußtsein haben die Manager gewonnen, daß auch RTL-plus-Hoenisch zugeben kann, daß ihm nicht alles in seinem Programm gefalle und er sich — als Sat1 den Mörder von Twin Peaks verriet — zugunsten der Publicity „ein wenig aufgeplustert habe“.
Alles in allem läßt sich sagen, daß sich die Kanäle in Zukunft noch mehr ähneln werden. Bis auf den Premiere-Sender, der als Pay TV eine Sonderrolle spielt, steht auf dem Privat- rezept kommender Bildschirmjahre „Vollprogramm statt Spartenprogramm“, zunehmende Eigenproduktionen, die wieder verkauft werden können und verstärktes Engagement im Informationsbereich. Fast scheint es, als hätten die kommerziellen Anbieter auf diesem Sektor eine Marktlücke entdeckt. Man ist es müde, „Sündenbock“ (Doetz) zu sein. Daß die Kasse klingelt, reicht den Anbietern nicht mehr, jetzt fehlt noch die gesellschaftliche Anerkennung. Darüber, daß das kommerzielle Fernsehen besser sei als sein Ruf, sind sich alle einig.
Ungleiche Wettbewerbsbedingungen wie eine „ungerechte Frequenzverteilung“ beklagen die Fünf. Die Kleinen quält die Sorge, für wieviele von ihnen der Werbekuchen ausreichen wird. „Einer wird ertrinken, fragt sich nur wer“, glaubt Rudi Klausnitzer von Premiere. Das aber ist die entscheidende Frage. Die Antwort wußte niemand.
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