Wörterbücher im Internet: Persisch für Anfänger
Jan Willamowius betreibt ein persisches Online-Wörterbuch - unermüdlich und unentgeltlich. Dabei spricht er die Sprache gar nicht. Nicht mal ein einziges Wort.
Jan hat sich für Persisch entschieden. Bei einem Bier. Ein Freund von ihm ist mit einer Iranerin verheiratet und möchte ihre Sprache lernen. Jan, der Informatiker, beschließt: "Da muss ein Internet-Wörterbuch her." Denn Persisch ist eine Sprache, für die es nur wenig deutsches Lehrmaterial gibt, Wörterbücher dafür sind teuer. Jan sagt sich: Da gibt es Bedarf, und fängt an, ein deutsch-persisches Wörterbuch auf seiner Internetseite zu gestalten.
Das einzige Problem an der Sache: Jan spricht überhaupt kein Persisch. Nicht mal ein einziges Wort. "Macht nix", denkt er sich und setzt sich an die Arbeit. Die Internetseite, farsi.free-dict.de, ist schnell aufgebaut, es ist nicht die erste, die Jan gestaltet. Mit Hilfe eines Freundes kann er einen ersten Wortschatz organisieren, rund 20.000 Wortpaare bekommt er zusammen, zunächst nur persisch-englisch. Und damit fängt die Arbeit erst richtig an. Vokabeln eingeben, Wortpaare sortieren, Übersetzungen prüfen. Wie viele Stunden er am Anfang in die Seite investiert hat, weiß er schon nicht mehr.
Wörterbücher im Internet gibt es inzwischen viele: Die letzte Statistik darüber ist von 1996, seither sind unzählige dazu gekommen. Von leo.org bis lessan.de, gibt es deutsche Wörterbücher in allen möglichen Sprachen: Neben Englisch, Französisch, Spanisch gibt es Thailändisch, Ungarisch, Japanisch, Kisuaheli. Und wer aus dem Englischen in eine andere Sprache übersetzen will, findet noch eine viel größere Auswahl: Jiddisch, Thailändisch, Koreanisch, Hindi, Esperanto.
Oft stecken Privatpersonen wie Jan hinter den Wörterbüchern. Sie verbringen Stunden vor dem Rechner, um die Nachschlagewerke für andere kostenlos ins Netz zu stellen. Geld verdienen dabei die wenigsten: "Mit dem bisschen Werbung auf der Seite bekomme ich gerade die Ausgaben für die Homepage wieder herein", sagt Jan.
Dabei sind die Besucherzahlen seiner Homepage beachtlich: 90.000 Abfragen hat er pro Monat, aus Deutschland und dem Iran. Bei lessan.org, einem Arabisch-Wörterbuch, das der Münchner Raid Naim von New York aus betreibt, sind es sogar 600.000 - Tendenz steigend. Inzwischen ist Lessan für viele Arabisch-Studenten zum Standardwerk im Internet geworden - ähnlich wie das Studentenprojekt leo.org für Englisch und Spanisch.
Zwar reichen auch professionellere Nachschlagewerke im Internet noch nicht an die Qualität der gedruckten Wörterbücher großer Verlage heran. Dennoch verfolgen inzwischen auch große Unternehmen wie Langenscheidt die Entwicklung der Online-Wörterbücher sehr genau: "Auch wir machen uns ja Gedanken über tragfähige, wirtschaftliche Konzepte im Internet", sagt Bernhard Kellner von der Langenscheidt Verlagsgruppe. "Aber für uns als Unternehmen muss man damit eben auch Geld verdienen können."
Die privaten Initiativen machen ihnen dagegen kaum Konkurrenz: "Wenn sich jemand hinsetzt und ein Wörterbuch zu Kisuaheli oder Bretonisch auf seine Seite baut, dann bereitet uns das wenig Kopfzerbrechen", sagt er. "Im Gegenteil: Das ist eigentlich eine schöne Sache und trägt zur Sprachenvielfalt insbesondere von Minderheitsprachen bei. Denn wir könnten solch exotische Sprachen nur sehr schwer verkaufen."
Und genau darin liegt für viele private Wörterbuch-Betreiber die Motivation: Kleinen Sprachen ein Forum zu bieten: "Unser Ziel ist es, das Hocharabisch in alltägliche Bereiche zu integrieren, um gegen die immer währende Einengung des Sprachgebrauchs auf wenige Inhalte - insbesondere religiöse - anzukämpfen", sagt Naid Raim über sein Lessan-Projekt. "Denn Arabisch ist eine Sprache. Und eine Sprache ist mehr als nur eine Religion."
Jan Willamowius hat zusätzlich noch die technische Seite gereizt: Das persische Alphabet, das sich nur schwer darstellen ließ. Die Eingabe der Buchstaben, die am Anfang ein Problem waren. Und die Herausforderung, mit einer unbekannten Sprache zu arbeiten. Denn Persisch, das kann er noch immer nicht.
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