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■ Press-SchlagWodkakönig und olympischer Fürst

Juan Antonio Samaranch war noch nie sonderlich penibel, was den Charakter der Mitglieder seines IOC betraf. Ob Un Yong Kim, der Handlanger der südkoreanischen Militärs, Ivan Slawkow, der in Bulgarien wegen Waffenschiebereien unter Anklage stand, oder der skandalumwitterte Italiener Mario Pescante – sie alle konnten sich des Wohlwollens ihres Präsidenten allzeit sicher sein, sofern sie nur seinen Zwecken dienten. Lediglich der US- Amerikaner Robert Helmick mußte sein Mandat 1991 zurückgeben, weil er als Präsident des NOK der USA zu schamlos in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte.

Manch einer, der Geld und Macht verkörperte, wie der forsche Primo Nebiolo oder der milliardenschwere Mexikaner Mario Vazquez Rana, war sogar von Samaranch selbst gegen den Widerstand vieler Mitglieder ins IOC gehievt worden, und natürlich konnte der Olympiafürst auch nicht widerstehen, als ihn Boris Jelzin bat, doch bitte seinen Tennislehrer aufzunehmen: Schamir Tarpischew, welcher der IOC-Exekutive, die derzeit in Lausanne tagt, mehr Kopfschmerzen bereiten könnte als einst Robert Helmick.

Bevor Tarpischew nämlich ins IOC durfte, wurde er von Jelzin zum Sportminister und Präsidenten des Nationalen Sportfonds berufen. Dieser wurde bald nur noch „Wodkafonds“ genannt und machte lukrative Geschäfte mit Alkohol und Tabak. Von den Dollarbeträgen in Milliardenhöhe, die dabei eingenommen wurden, verschwand der größte Teil – nicht wenige vermuten, daß ein gehöriger Batzen beim ehmaligen Tennisprofi Tarpischew landete, der inzwischen als einer der 20 reichsten Russen gilt.

Nachdem diese Woche selbst Jelzin seinen Günstling fallen ließ und als Sportminister absetzte, darf man gespannt sein, wie das IOC mit ihm verfahren wird. Freiwillig austreten mag Tarpischew bislang nicht, und Samaranch könnte auf seine alten Tage feststellen, daß manch Geist erheblich schwerer loszuwerden ist, als man ihn rufen kann. Matti

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