Wochenübersicht: Konzert : Thomas Mauch hört auf den Sound der Stadt
Guter Geschmack allein reicht auch nicht überall hin. Für Scooter braucht man schon mehr an Traute, hat man es hier doch mit einer der finstersten, lichtdurchgleißtesten Unterhaltungshöllen Deutschlands zu tun. Dabei kann man deren durch Codierungen und Zitate mehrfach gesättigten four-on-the-floor-genagelten Kirmestechno nur noch metaphysisch verstehen, also die vollendete Transzendenz von Electronic Body Music, von Schweinebacken-Industrial, Phrasendrescherei, Hände-in-die-Höhe-Taumel und überhaupt der gesammelten Musikgeschichte (auf ihrem aktuellen Album „Jumping all over the world“ haben Scooter, meine Güte, sogar den Gutelaunesong „How do you do“ von Mouth & MacNeal aus den Siebzigern eingearbeitet), die irgendwie mal zur Beschallung von den Boxauto-Bahnen auf dem Rummel taugte. Der Audio-Wahnsinn. Das ist Scooter. Am heutigen Freitag auf der Zitadelle Spandau. Den guten Geschmack beweisen kann man dann gleich wieder einen Tag später am Samstag im Schleusenkrug, bei Martin Dean und seiner Band. Hier bekommt man bestes Crooning in stilvoller musikalischer Eleganz mit dem Berliner King of Space Age Gospel, musikalisch flanierend zwischen Frank Sinatra, Curtis Mayfield und Nick Cave, dem aber in einer existentiellen Gelassenheit alles gar zu Katholische genommen wurde. Guter Geschmack eben. Und bei der New York Experience um den Pianisten Stefan Schultze ist zu hören, dass im Jazz mehr möglich ist als die zu Tode gespielte Solo-Solo-Solo-Stafette. Hier wird ein Terrain zwischen Improvisation und Komposition ausgeforscht, mit Wagemut und Disziplin, mit Zickigkeit und Zuspielen aus der E-Musik, mit Dynamik und Drive. Schön auch, dass man dazu immer noch Jazz, und das nicht nur aus der Gewohnheit heraus, sagen darf. Gleichfalls draußen am Samstag in der Lohmühle.
Scooter u. a.: Zitadelle Spandau, Fr, 19 Uhr. VVK: 30€
Martin Dean & Band, Runaway Brides: Schleusenkrug, Sa, 21 Uhr
New York Experience: Lohmühle, Sa, 19 Uhr. Eintritt frei