Wochenübersicht: Konzert: Daniél Kretschmar hört auf den Sound der Stadt
Einst war es dem Künstler genug, ein solcher zu sein und damit Distanz zum schnöden Bürger- oder Proletarierleben zu gewinnen. L’art pour l’art. Bisweilen kam ein Mäzen daher und dann gab’s Wurst aufs Brot. Heutzutage nun reicht es nicht mehr, Künstler oder gar gut zu sein: Der Schaffende muss besser als sein und bereits das Erklimmen unterster Sprossen der Leiter Anerkennung in ausschließender Konkurrenz sich erkämpfen. Die epidemische Ausbreitung von Poetry-Slams, Bandwettbewerben und dgl. spricht für sich. Die Zuschauer lassen sich gar prächtig unterhalten, wenn Stars in Wartestellung versuchen, Publikums- und Fachjurys zu überzeugen, des Sechzehntelruhms eines Wettbewerbsgewinns würdig zu sein. Der neueste Berliner Sproß des Wettkampfgetöses heißt konsequenterweise gleich „Kampf der Künste“ und hat heute Abend in der Sparte Musik vier mit Sicherheit hörenswerte Beiträge im Programm. Drei werden ungerechtfertigterweise verlieren.
Wer derweil Genuss aus der gelassen Ruhe jener Bands zu ziehen vermag, die nicht mehr unwürdig um Aufmerksamkeit buhlen müssen, ist heute mit der Ostküstenindiepopcombo Clap Your Hands Say Yeah besser bedient. Mittels geschickter Internetvermarktung haben sie inzwischen sogar David Bowie und David Byrne als Fans gewinnen können. The Decembrists, auch ein Internetprodukt der gleichen Sparte, folgen ihnen am Mittwoch in den Postbahnhof.
Gänzlich anders, nämlich Kult (nicht in seiner beliebigen 90er-Jahre-Bedeutung, sondern in echt) ist Olaf Schubert, der es bisweilen schafft, ein Lied mit einem abenteuerlich unterhaltsamen, halbstündigen, sächsisch singsangelnden Vortrag einzuleiten. Vielleicht spielt er ja am Wochenende auch sein großes Opus „Sommer im Neubaugebiet“, so einer Art gesungener „Halbe Treppe“, bloß viel lustiger.
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