Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Die Situation klingt irgendwie vertraut: Man sitzt in der U-Bahn, und plötzlich steigt ein wilder Mann zu und beginnt, uns mit seinem Weltschmerz oder seiner Weltwut zuzutexten. Wir hören notgedrungen zu, vielleicht amüsieren wir uns sogar. Manchmal möchten wir unter Umständen selbst gerne einmal so ein wilder Weltbeschimpfer sein und den Leuten in der U-Bahn unseren Frust in die dumpfen Gesichter schreien. Peter Handke hat die schöne Alltagssituation in dramatische Form gebracht und ihr den Titel „Untertagblues. Stationendrama“ gegeben. Am Berliner Ensemble inszeniert Claus Peymann die Uraufführung mit Michael Maertens als U-Bahn-Menschenfeind. Im benachbarten Deutschen Theater stehen in dieser Spielzeit deutsche Stoffe auf dem Programm, denn der hässliche Deutsche sieht bekanntlich auf dem Theater immer noch am besten aus. Wie hässlich Hermann, der Cherusker war, lässt sich nicht mehr ermitteln. In Kleists Historiendrama „Die Hermannschlacht“ ist aus Hermann allerdings ein ziemlich lustiger Deutscher geworden. Gewitzt und gewieft schweißt er verfeindete Germanenstämme zum Widerstand gegen die Römer zusammen. Tom Kühnel inszeniert das Stück jetzt (mit Jörg Gudzuhn als Hermann) in den Kammerspielen. In der Kammerbar steht Eike Hannemanns Uraufführung von Martin Heckmanns und Thomas Melles Stück „4 Millionen Türen“ auf dem Programm, das sich mit der Selbstvermarktung arbeitssuchender Großstädter befasst. Und da in dieser Woche die Hochkultur nach der Sommerpause zum ersten Mal wieder richtig auf Touren kommt, möchten wir hier auch auf die Ballettpremiere an der Staatsoper Unter den Linden verweisen. Unter der Leitung von Daniel Barenboim gibt es mit „Feuervogel/Sacre“ einen hochkarätigen Strawinsky-Abend, den Angelin Prelocaj und Uwe Scholz choreografieren.