Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Diese Woche treiben unsere Bühnen Fragen um, die sich im Problemkreis von ewiger Jugend, Frühvergreisung und dem damit verbundenen Stillstand bewegen. „Wenn ein Sinnprogramm schneller zerfällt, als Menschen Zeit haben, ein neues zu entwickeln, entsteht ein lustvoller Freiraum. Jetzt muss alles neu gedacht werden, neu gelebt – als Party ist das richtig gut“, gibt die Volksbühne als Losung aus und versucht es mit Optimismus. Währenddessen zeigt Stefan Pucher an Thomas Braschs Bearbeitung von Anton Tschechows „Die Vaterlosen“ die Folgen solcher Zustände auf, die Menschen einerseits zu alt für ihre Jugend, andererseits zu jung für ihr Alter machen können, wie im geübten Diskurs-Boogie-Woogie die Volksbühnendramaturgie vermelden lässt. Wenn Zeiten sich ändern und die Menschen nicht mit ihnen gehen, werden sie von den Zeitläuften überrollt. Zum Beispiel die bankrotte Gutsbesitzerin Ranjewskaja, deren Kirschgarten jetzt ein ähnliches Schicksal wie den Ku’damm-Bühnen blüht: Aus Renditegründen soll er abgeholzt, sie selbst vom Gut ihrer Familie vertrieben werden, wo ein Investor Sommerhäuser plant. Am Deutschen Theater inszeniert Barbara Frey mit „Der Kirschgarten“ den zweiten Tschechow dieser Woche auch als Plädoyer für die Verteidigung des Nutzlosen und Anleitung zum Unglücklichsein. Eine Show, die glücklich machen will, bietet die Formation She She Pop diese Woche im HAU 2 mit „Für alle“ und stellt zu diesem Zweck ein Spielkasino auf die Bühne, in dem Ideale von sozialer Gerechtigkeit, Solidarität und individuellem Glück entgegen der Logik des Spiels verwirklicht werden sollen und ein System zur Glücksproduktion für alle entstehen soll. Der Theaterdiscounter lädt mit seiner multimedialen Performance „MilchLaitLatte“ ein, sich noch mal in der Kunst zu versuchen, ein Kind zu sein.