Wochenend-Tipp: „Ein Drachen trägt Träume“

An diesem Samstag findet in Potsdam das größte Drachenfest der Region statt. Ein Gespräch mit Michael Steltzer, der die Veranstaltung zum 27. Mal organisiert.

„Eine Art kosmische Nabelschnur“ - die Drachenleine verbindet Mensch und Himmel. Foto: dpa

taz: Herr Steltzer, am Wochenende steigt in Potsdam das Internationale Drachenfest. Was, wenn der Wind nicht mitmacht?

Michael Steltzer: Dann rennt man ein bisschen herum und zieht die Drachen hoch. Das passiert manchmal. Immer noch besser als Regen. Aber die Wettervorhersage ist ziemlich gut. Wir hoffen!

Was wäre optimal?

Wind, aber nicht zu viel, sonst gehen die schönen Gebilde kaputt. Sonne, aber nicht nur blauer Himmel, auch Wolken, damit es ein bisschen dynamisch ist. Und warm genug, dass man nicht friert.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Die 70, 80 aktiven geladenen Drachenfreunde kommen von überall her. Man kann eigentlich sagen, jedes Volk und jede Region auf dem Planeten hat eine eigene Drachenkultur. Das auszutauschen, gemeinsam zu fliegen und voneinander zu lernen, darum geht es bei dem Festival. Für mich ist das eine große Party.

Aus welchem Land kommen die Drachen ursprünglich?

Alle denken, aus China. In Wirklichkeit kommen sie aus Indonesien. Aus Süd-Sulawesi. Da gibt es eine Drachenhöhle im wahrsten Sinne des Wortes. Dort wurden Wandmalereien gefunden mit Menschen, die Drachen steigen lassen. Mit Methoden des Carbo-Abtastens hat man festgestellt, dass die Bilder 20.000 Jahre alt sind. Das ist noch nicht lange bekannt. Der Archäologe, der diese Wandmalereien entdeckt hat, wird einer der Gäste auf dem Festival in Potsdam sein.

Fliegen Sie selbst auch oder lassen Sie steigen – wie sagt man dazu in der Fachsprache eigentlich?

In Amerika, wo ich groß geworden bin, sagt man: You go fly a kite. Aber hier sagt man: einen Drachen steigen lassen. Ich bin passionierter Drachenmensch, seit ich ein keiner Bengel war. Vor circa 33 Jahren habe ich mein Hobby dann zu meinem Beruf gemacht, indem ich einen Drachenladen eröffnet haben. Das war damals der erste Drachenladen in Berlin und der dritte oder vierte in der Bundesrepublik. Der beliebteste Drachenflugplatz war der Teufelsberg. Tempelhof war noch ein aktiver Flughafen. Durch ihn hat Berlin die größte innerstädtische Drachenflugfläche der Welt bekommen.

Haben Sie in Ihrem Geschäft die Öffnung des Flughafens 2010 gespürt?

Es war schon ein Schub. Wir haben zu zweit angefangen, jetzt haben wir zehn Mitarbeiter. Tempelhof hat uns Beständigkeit beschert. Das ist schön. Wenn es in Berlin nicht so viele Flächen gäbe, wo man fliegen kann, wäre das Geschäft härter.

Was gibt es noch für Drachenflugplätze in Berlin?

Manche gehen zum Britzer Garten oder zum Hahneberg in Spandau oder auf den Mont Klamott in Prenzlauer Berg. Bei der Domäne Dahlem gibt es eine kleine Wiese. Auch kleinere Flächen sind im Herbst gut bevölkert. Für die Deutschen ist ja Herbstzeit Drachenzeit.

Stimmt daran was nicht?

Die besten Winde sind im Frühjahr. Dass der Herbst so beliebt ist, hat eher mit der Landwirtschaft zu tun. Die Ernte ist drin, die Felder sind frei, die Bauern haben Zeit für ihre Familien. Man kann es eigentlich immer machen, wenn der Wind weht.

Worin liegt bei dem Ganzen eigentlich der Reiz?

Das ist die Faszination vom Fliegen natürlich. Man liegt auf der Wiese und hat einen Drachen über sich. Die Wolken ziehen vorbei. Du guckst nach oben, und da zieht jemand an diesem Gebilde und du fragst dich: Wer zieht denn da? Ein Freund von mir nannte die Drachenleine eine Art kosmische Nabelschnur. Die Verbindung mit der Natur und dem Wind, das brauchen wir alle zum Leben. So ein Drachen trägt viele Träume und viele Fantasien. Er lenkt ab vom Alltag. Im unserem Laden stellen wir fest, dass eine ganze Menge von Leuten, die am Computer arbeiten, ganz gerne rausgehen mit einem Drachen. So kommen sie mal an die frische Luft.

Die Drachen mit dem Coolnessfaktor, die man heute so sieht, werden aber nicht mehr so wie früher selbst gebaut, oder?

Natürlich! Wer soll diese superkomplizierten Drachen denn sonst bauen? Da gibt es eine Nähmaschine und eine Idee, und dann versucht man, das zu verwirklichen.

Warum sieht man eigentlich so wenig Frauen mit Drachen?

Traditionsgemäß ist das wie mit der elektrischen Eisenbahn, da sind auch fast nur Männer und Jungs dabei. Aber das ändert sich zunehmend. Gerade auch deshalb, weil viele der Künste, die nötig sind, um einen Drachen zu bauen, oft Frauen beherrschen. Männer können zumeist nicht mit einer Nähmaschine umgehen. Ich habe das auch erst gelernt, als ich mir einen Drachen gebaut habe.

Wie viele Drachen besitzen Sie?

Weiß ich nicht. Ein paar hundert werden es schon sein. Ich bin ein Fan von den Einleinerdrachen. Andere heizen lieber mit den Zweileinern oder Vierleinern rum. Mein Favorit ist zurzeit der Flowtail Delta.

Was zeichnet diesen Drachen aus?

Der ist nicht wahnsinnig besonders. Der ist einfach nur sehr harmonisch und schön: ein Einleiner, pur weiß. Er sieht engelhaft aus da oben. Wenn eine weiße Wolke kommt, verschwindet er ein bisschen und taucht dann wieder im blauen Himmel auf. Wenn er bei Nachtdrachenflug mit einem Spotlight illuminiert wird, sieht er auch große Klasse aus. Den Flowtail Delta werde ich Samstag auch dabeihaben. Mal sehen, ob ich dazukomme.

Link zum Drachenfest

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