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Wo sind die frechen Frauen geblieben?

■ Zehn Jahre nach der Frauenliste weibliche Ratlosigkeit im Superwahljahr Von Andrea Hösch

Wenn sich Frauen zusammenrotten, kriegen es die Krawattenmenschen mit der Angst zu tun. Genau so war es, als die „frechen Frauen“ 1984 auf einer eigenen GAL-Frauenliste antraten. Als sie dann auch noch auf Anhieb 13 der 120 Sitze in der Hamburger Bürgerschaft gewannen, war das bundesweite Medienereignis perfekt. Seither sind zehn Jahr vergangen. Zeit genug, um sich heute, im Superwahljahr 94 zu fragen: Warum gibt es keine Frauenlisten mehr? Wo sind die frechen Frauen geblieben, die damals aufbrachen, um in die Männerwelt einzubrechen?

Die Bühne für die Aufarbeitung der Vergangenheit gibt das „Projekt politische Selbsterfahrung in der Frauen-Anstiftung“ frei. Und siehe da, sie kommen, jene Frauen, die einst tatkräftig die Frauenliste angeschoben haben. Doch zehn Jahre haben ihre Spuren hinterlassen: Frau ist älter und schicker, nüchterner, leidenschafts- und auch ratloser geworden.

Das Podium macht da keine Ausnahme. Da sitzen die Ex-Aktivistin der Frauenliste Margret Hauch, die Autorin Katja Leyrer neben der Abgeordneten aus Dresden, Anne-Katrin Olbrich (Alternative Fraktion) und der CDU-Bundestagsabgeordneten Susanne Rahardt-Vahldieck. Hat sich das Engagement gelohnt? Die Bilanz fällt nicht eindeutig aus. Einerseits sind trotz und nach der Frauenliste heute nicht mehr Frauen in den politischen Gremien vertreten, sagen die einen. Allein schon das symbolische Signal war's wert, sagen die anderen. „Streit-Lust“, wie das Motto des Diskussionsabends verhieß, wollte bei dieser Befindlichkeit nicht aufkommen.

Worüber sollte frau auch streiten? Daß politisches Engagement bitter notwendig wäre? Das ist unbestritten. Vielleicht darüber, ob es mehr bringt, sich in den Parlamenten oder außerhalb für frauenpolitische Anliegen einzusetzen? Darüber hat frau vor 15 Jahren gestritten. Nun bekundet die versammelte Gemeinde: Frau muß überall, drinnen und draußen, in frauenspezifischen und anderen Bereichen, agieren. Jene, die keine Scheu haben, Macht auszuüben, seien in der Realpolitik am richtigen Platz. Andere, die sich mit den Spielregeln der Politik nicht anfreunden können und deshalb darunter leiden, sollten sich eben anderswo politisch engagieren. Wieder kein Streitpunkt.

Weit und breit also keine positiven, neuen Ansätze? Eine Frau sieht es so und verläßt die Veranstaltung schon in der Pause. Zu früh, wie sich herausstellt. Ist bis dahin viel über Spaß und Frust, Macht und Ohnmacht geredet worden, wird Lust plötzlich spürbar, als eine Frau aus dem Publikum sagt: „Mir wird immer klarer, daß man die eigene Macht nicht aus den Händen geben darf. Die greifen sich dann nämlich andere. Deshalb hab' ich richtig Lust, wieder was zu machen.“

Lust steckt an. Und tatsächlich wendet sich das Denken nach vorne: Wäre nicht doch eine neue Frauenliste möglich? Parteiunabhängig müßte sie allerdings sein, da sind sich die meisten einig. Ein neuer Anlauf setzt voraus, sich von den hehren Idealen, mit denen Frauen in die Politik aufgebrochen sind, zu verabschieden, persönliche Animositäten zu bereinigen, neue Bündnisse zu suchen und vor allem Frauen zu gewinnen, die zur Kandidatur bereit wären. Aber auch diese angedachte Perspektive kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie zäh und leidenschaftslos Frauenpolitik geworden ist. Nur einmal regen sich Emotionen, flackert kämpferische Streit-Lust auf - bezeichnenderweise geht es da ums Rauchverbot im Saal.

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