piwik no script img

■ WissenswertesNeue Bücher

Die Arbeiten und Entdeckungen Wilhelm Reichs berühren beinahe jede größere sozial- und naturwissenschaftliche Theorie. Heutzutage aber wird Reich in kaum einer offiziellen Veröffentlichung mehr erwähnt – es ist, als ob der 1897 in Galizien geborene Psychoanalytiker und seine Orgonomieforschung nie existiert hätten.

Daß dem nicht so ist, zeigt das Sammelwerk, das jetzt von James deMeo und Bernd Senf herausgegeben wurde. Nach Reich. Neue Forschungen zur Orgonomie (Zweitausendeins, 897 Seiten, 69 Mark) dokumentiert 40 Jahre nach Reichs Tod den aktuellen Stand der Orgonomieforschung und zieht eine Bilanz der Wissenschaft von der Lebensenergie. Es ist sowohl ein aktueller Forschungsbericht als auch ein Nachschlagewerk zu allen Bereichen der Orgonomie.

Zu Wort kommen mehr als 20 Wissenschaftler, die über ihre Arbeit innerhalb der Reichschen Forschung berichten und vor allem eines klarstellen: Ob zum Thema Charakteranalyse, Geburtsvorbereitung, Krebsforschung oder Wüstenbildung – die vielfältigen Impulse, die Reich vor einem halben Jahrhundert gegeben hat, wurden von Forschern auf der ganzen Welt aufgegriffen. In unterschiedlicher Weise: In ihren begleitenden Texten zeigen die Herausgeber nicht nur Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten, sondern auch Differenzen im Werk Wilhelm Reichs und der heutigen Orgonomie-Forschung auf.

Als China 1950 Tibet überfällt, ist Palden Gyatso gerade 17 Jahre alt. Der Sohn reicher Grundbesitzer, der mit neun Jahren ins Kloster ging, weiß so gut wie nichts von der Welt draußen. Doch 1957 müssen die Mönche fliehen, weil Dorf und Kloster angegriffen werden. Ich, Palden Gyatso, Mönch aus Tibet (mit Tserin Shakya, Lübbe, 302 Seiten, 38 Mark) ist die Biographie eines Mannes, der 33 Jahre in chinesischer Gefangenschaft verbringen mußte, weil er für die Freiheit Tibets eintrat.

Als er ins Lager kommt, beginnt für den buddhistischen Mönch eine Zeit unvorstellbarer Greuel. Gehirnwäsche, Folterungen, Hinrichtungen und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Dennoch berichtet er ohne Haß oder Verbitterung von seiner „merkwürdigen Lebensreise“- eine Reise, die er überstehen konnte, weil er von dem Wunsch beseelt ist, dem Dalai Lama zu begegnen.

So ist das Buch Zeugnis eines unerschütterlichen Glaubens und ein Ruf nach politischer Gerechtigkeit. Denn als Palden Gyatso 1992 aus Tibet floh, zog er sich nicht wie viele seiner Leidensgenossen in ein Exilkloster und in die Meditation zurück, er wollte die Welt aufrütteln. Inzwischen hat er vor den Vereinten Nationen gesprochen und in Amerika und Europa Vorträge gehalten – in der festen Überzeugung, daß Aufklärung und Widerstand schließlich zur Befreiung Tibets führen werden.

Martin Banger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen