Wirtschaftsweiser über Bankenübernahmen: "Der Staat soll sich heraushalten"

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hätte sich nicht vorstellen können, dass er einmal für die Verstaatlichung von Banken plädieren würde.

"Ein schwerer Unfall des Kapitalismus": Peter Bofinger. Bild: dpa

taz: Herr Bofinger, die Wirtschaftseliten sind in der Defensive, es gibt ein neues Primat der Politik. Ist dieses von Dauer?

Peter Bofinger: Wir erleben gerade einen schweren Unfall des Kapitalismus. Trotzdem ist die Gefahr groß, dass die, die das Sagen haben, schnell in ihr altes Fahrwasser zurückkehren. Es gibt die Haltung: Der Staat ist das Problem, nicht die Lösung. Diese Grundströmung ist nach wie vor sehr stark.

Verschieben sich die Kräfteverhältnisse zugunsten der Politik?

Das ist ein sehr eindrucksvoller Prozess. Gestern habe ich einen Text von mir vom November 2007 erneut gelesen. Damals habe ich massiv dagegen argumentiert, Banken und Unternehmen zu verstaatlichen.

Dass das notwendig werden könnte, war für Sie nicht vorstellbar?

Niemand hat das vorausgesehen. Ich finde es aber gut, dass die Politik jetzt so pragmatisch handelt. Sonst wäre es zur Katastrophe bekommen. Wohin marktwirtschaftliche Prinzipientreue führt, haben wir an der Pleite der Lehman-Bank in den USA gesehen. Die US-Regierung nahm an, dass der Markt den Bankrott einer Großbank verkraftet. Das hat sich als Trugschluss erwiesen.

Warum soll der Staat heruntergewirtschaftete Banken nicht pleitegehen lassen?

Weil man damit möglicherweise riskiert, dass das ganze Bankensystem zusammenbricht.

Wie würde sich dieser Prozess abspielen, welche Folgen hätte er?

Die privaten Sparer und Anleger verlören das Vertrauen. Sie würden sagen: "Nur Bares ist Wahres", zu ihrer Hausbank gehen und die Einlagen zurückfordern. Wenn das Millionen Menschen tun, geht den Banken das Geld aus. Die Folge wäre eine Kettenreaktion. Erst müssten ein paar Institute schließen. Danach kämen auch die gesunden Banken in Bedrängnis, die Ersteren Geld geliehen haben. Und am Schluss würden Unternehmen mangels Kredit Millionen Beschäftigte entlassen.

Unter welchen Umständen halten Sie eine Verstaatlichung für gerechtfertigt?

Wenn absehbar ist, dass ein Institut keine Zukunft hat. Ist das Geschäftsmodell nicht mehr tragfähig, sollte der Staat die Bank nicht mit zusätzlichem Eigenkapital ausstatten, sondern sie übernehmen. Das Ziel muss dann sein, die Sache mit Kontrolle, Anstand und Würde zu Ende zu bringen. Aber so etwas steht leider nicht im Handbuch der Wirtschaftswissenschaften. Das kann man nur ausprobieren.

Die Bundesregierung unterstützt die Dresdner Bank, die Commerzbank und die Hypo Real Estate in München mit Dutzenden Milliarden Euro. Sind das Kandidaten für die Abwickelung?

Zu einzelnen Instituten kann ich mich nicht äußern. Schweden hat mit der Strategie der Übernahme und Abwicklung zu Beginn der 1990er Jahre grundsätzlich Erfolg gehabt.

Obwohl die Bundesregierung große Summen zur Verfügung stellt, ist sie den Banken gegenüber sehr zurückhaltend. Übt sie zu wenig Einfluss auf die Institute aus?

Nein, es ist vernünftig, dass der Staat sich aus der praktischen Unternehmenspolitik heraushält. Wenn der Staatssekretär dem Bankvorstand sagt, was er im Einzelnen zu tun hat, ist das problematisch. Denn dann könnten die Manager die Verantwortung für Fehler künftig auf den Staat abwälzen.

Manche Firmen beklagen inzwischen, dass sie für neue Großprojekte keine Finanzierung mehr bekommen. Ist die Versorgung mit Geld nicht die mindeste Dienstleistung, die der Staat den Banken abverlangen muss?

Erstens zeigen die Statistiken heute noch keine Kreditklemme. Und wenn sie einträte, sollte die Regierung den Banken mit Eigenkapital unter die Arme greifen. Aber nicht, indem er ihnen einzelne Geschäfte im Detail vorschreibt.

Warum nicht?

Unser Ziel sollte sein, die Banken wieder profitabel machen. An gesunde Firmen geben die Institute sowieso Kredite - davon leben sie ja. Wenn ein Betrieb hingegen kein Geld von seiner Bank bekommt, dann deutet das darauf hin, dass der Betrieb vielleicht nicht kreditwürdig ist. In solchen Fällen ist eine politische Beeinflussung gefährlich. Damit errichtet man nur ein Siechenheim für kranke Unternehmen, die lediglich aus politischen Gründen am Leben erhalten werden.

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