Wirtschaftsprognose für die EU: Euroländer bleiben Schuldenländer
In der EU entwickelt sich die Wirtschaft schlechter als erwartet: Die Arbeitslosigkeit steigt auf 11 Prozent, sogar Frankreich verfehlt das Defizitziel. Nur Deutschland bleibt die Ausnahme.
BRÜSSEL taz | Die Schuldenkrise in der Eurozone fällt schlimmer aus als erwartet. Die EU-Kommission rechnet mit einer Rekordarbeitslosigkeit von 11 Prozent in diesem und im kommenden Jahr. In ihrer Frühjahrsprognose stellte sie zudem auch allen Krisenländern bis auf Irland ein schlechtes Zeugnis aus. In Griechenland, Portugal, Italien und Spanien schrumpft die Wirtschaft weiter, Frankreich und die Niederlande verfehlen die Defizitziele. Deutschland hingegen bleibt ein Musterschüler.
Auch in der gesamten EU entwickelt sich die Wirtschaft schlechter als erwartet. Währungskommissar Olli Rehn rechnet nun für alle 27 EU-Länder mit einer „milden Rezession“. Bei der letzten Schätzung hatte die EU-Kommission noch leichtes Wachstum prognostiziert. In der zweiten Jahreshälfte soll es zwar wieder langsam aufwärtsgehen, mit einer spürbaren Erholung rechnet Rehn aber erst für 2013, in Griechenland sogar erst für 2014. „Ein Aufschwung ist in Sicht, aber die wirtschaftliche Lage bleibt fragil“, sagte Rehn.
Trotz des miserablen Ausblicks hält Brüssel genau wie Berlin stur am Sparkurs für alle und am umstrittenen Fiskalpakt fest. „Solide öffentliche Finanzen sind die Voraussetzung für dauerhaftes Wachstum“, teilte die EU-Kommission mit. Währungskommissar Rehn feierte es schon als Erfolg, dass die öffentliche Neuverschuldung in den 17 Euroländern 2013 auf knapp 3 Prozent – und damit auf den erlaubten Höchstwert – zurückgehen dürfte.
Zur Sanierung seines Finanzsystems will das hoch verschuldete Spanien Bad Banks einführen. Dabei handelt es sich um Auffanggesellschaften, denen die Banken ihre zweifelhaften Immobilienkredite übertragen sollen. Eine am Freitag von der Regierung verabschiedete Bankenreform verpflichtet alle Geldinstitute des Landes dazu, solche Gesellschaften zu gründen.
Kein Grund für eine Kursänderung
Der künftige französische Präsident François Hollande sieht trotz der deutlich schlechteren EU-Defizitprognosen für sein Land keinen Grund für eine Kursänderung. Der schlechtere Zustand der Staatsfinanzen sei ihm schon länger bekannt und in seinen Planungen „vorweggenommen“, sagte Hollande am Freitag.
Er setzt weiter darauf, das EU-Defizitziel von maximal 3 Prozent 2013 einzuhalten. Während Hollande eine neue, wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik fordert, beharrt Rehn auf dem sogenannten Konsolidierungskurs. Allerdings soll die Austeritätspolitik „durch eine Beschleunigung von wachstumsfördernden Maßnahmen“ unterstützt werden.
Was das konkret bedeutet, ließ Rehn offen. Klar ist hingegen, dass Hollande mit heftigem Gegenwind aus Brüssel rechnen muss, da die EU-Kommission Frankreich zum „Schuldensünder“ erklärt hat.
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