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Archiv-Artikel

DIE FDP INSZENIERT IHRE PERSONALDEBATTE ALS RICHTUNGSSTREIT Wirtschaftsliberalismus als Bürgerrecht

Pünktlich zum Parteitag Anfang Mai inszeniert die FDP auch in diesem Jahr wieder eine große Personaldebatte, die als Richtungsstreit zu verstehen sein soll. Die Rollenbesetzung lautet: Wolfgang Gerhardt ist der wiedergeborene Altchefliberale, der dem alternden Jungchefliberalen Guido Westerwelle die Führung streitig macht. Dies soll gelingen, indem er den beinahe abgestorbenen liberalen Körperteil „Bürgerrechte“ wieder ins Leben massiert.

Dieses Dramolett war bereits bei der letztjährigen Hauptversammlung der Partei zu erleben. Sie endete mit einem Bekenntnis zu den Bürgerrechten und zu Gerhardt als dem besser Beklatschten. Wie es der 2001 von Westerwelle verdrängte Partei- und jetzige Fraktionsvorsitzende mit jenen liberalen Grundwerten hält, hat er erst im Januar in seiner Dreikönigsrede erklärt. Hier verwendete er den Begriff „Bürgerrecht“ in jedem Absatz: als Bürgerrecht auf die Privatisierung der Sozialversicherungen, auf Steuersenkungen und auf Studiengebühren. Westerwelle gebrauchte den Begriff dagegen in seiner Rede zum Dreikönigstreffen gar nicht. Im inhaltlich als bürgerrechtlich definierten Gebiet jedoch forderte er als ersten Punkt das Gleiche wie Gerhardt: keine Einschränkung des Bankgeheimnisses ab 1. April. Für FDP-Wähler heißt das übersetzt: Erhalt aller Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung.

Gegenwärtig also ist die „Wiederbelebung der Bürgerrechte“ bloß eine Umschreibung der traditionellen liberalen Wirtschaftspolitik. Deshalb braucht der Konflikt zwischen Gerhardt und Westerwelle nicht als Richtungsstreit verstanden zu werden. Dabei haben sich Gerhardts Aussichten auf das Amt des Vizekanzlers in einer schwarz-gelben Koalition ab 2006 durchaus verbessert. Westerwelle, der mittlerweile nicht nur als Spaßpolitiker, sondern auch als Leichtmatrose gilt, hat auch selbst schon angedeutet, er müsse gar nicht Außenminister werden. Gerhardts Chancen wachsen im selben Maße, wie die Liberalen auf männliche Solidität an der Seite einer Kanzlerkandidatin Angela Merkel setzen. ULRIKE WINKELMANN