Wirtschaftskrise in Türkei: Mit dem Rücken zur Wand
Der Türkei droht der Staatsbankrott. Präsident Erdoğan steht unter Druck – und schaltet mal wieder auf Angriff.
W er meint, eine Krise wie die Corona-Epidemie müsste dazu führen, dass eine Gesellschaft zusammenarbeitet und ihre Spaltung überwindet, sieht sich derzeit in der Türkei mit dem kompletten Gegenteil konfrontiert. Nie war der Ton schärfer, wurde der Hass auf die Opposition so explizit formuliert wie derzeit. Präsident Erdoğan redet in einer Ansprache an die Nation darüber, dass der Geist der Opposition jetzt endgültig ausgerottet werden muss, und in einem kleinen TV-Sender eines regierungsnahen Medienkonzerns wird ganz offen darüber gesprochen, wie mit dem politischen Gegner gewaltsam abgerechnet werden soll und der eigene Präsident mit allen Mitteln an der Macht gehalten werden muss.
Und das alles, weil eine bekannte Oppositionspolitikerin in einem Nebensatz gesagt hatte, die Regierung sei am Ende und werde so oder so verschwinden. Dankbar bläst die Regierung diesen Satz zu der Behauptung auf, die Opposition bereite einen neuen Putsch vor und man müsse sich dagegen wappnen. Dabei kommt die Gefahr von ganz anderer Seite. Das Coronavirus, gegen dessen Bedrohung der Gesundheit der BürgerInnen man sich bis jetzt noch einigermaßen behauptet hat, hat die sowieso schon angeschlagene Volkswirtschaft der Türkei fast völlig zum Absturz gebracht. Präsident Erdoğan steht mit dem Rücken zur Wand. Das Land kann voraussichtlich in diesem Jahr seine Schulden nicht mehr bedienen und steuert, wenn nicht noch Hilfe von außen kommt, faktisch auf einen Staatsbankrott zu.
Damit wäre die AKP nach 19 Jahren an der Regierung tatsächlich am Ende. Aber Erdoğan hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er, wenn er seine Macht bedroht sieht, immer in den Angriffsmodus schaltet. So auch jetzt. Die Opposition, dunkle Mächte von außen und am besten beide zusammen bedrohen die Türkei und müssen vernichtet werden.
Vernichtet werden am Ende der letzte Rest an Demokratie und der bescheidene Wohlstand, den sich viele TürkInnen in den letzten Jahren hart erarbeitet haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“