Wirtschaft: Kommunalkammer hat ausgedient
Die Handelskammern von Bremen und Bremerhaven machen ihre Fusion perfekt. Als Landeskammer soll alles besser werden – zum Beispiel die Beitragssätze.
Die Bremer Handelskammer (HK) und die Bremerhavener Industrie- und Handelskammer (IHK) haben endgültig die Fusion zur Länderkammer beschlossen. Hauptsitz wird Bremen. Neben einer Standortgarantie für Bremerhaven wird den Seestädtern zugesichert, zwei der fünf bis neun Vizepräsides zu stellen. Bei „ausschließlich kommunalen Angelegenheiten“ gilt eine Zweidrittel-Sperrklausel der Standortvertreter.
Während der Beschluss in Bremen einstimmig gefasst wurde, gab es in Bremerhaven sechs Gegenstimmen bei 19 Befürwortern. Auch Oberbürgermeister Ulf Grantz (SPD) hatte Bedenken geäußert, ob die Interessen der Bremerhavener Wirtschaft ausreichend gewahrt bleiben.
Doch die IHK steht unter Druck: Ein Ranking des Wirtschaftsmagazins impulse hat sie als teuerste Kammer der Republik ausgemacht. Der Durchschnitts-Beitrag beträgt 798,40 Euro, fast 20 Prozent mehr als in Bremen. Hannover am anderen Ende der Skala verlangt nur 141 Euro. impulse zu Folge liegt das nicht zwangsläufig an unterschiedlichen Größen: Entscheidender Kostentreiber sei die jeweilige Personalpolitik der Kammern. Doch trotz hohen Personalaufwands bietet die IHK ihren Mitgliedern keinen Unternehmensservice mit Förderberatung. Der wird nach Bremer Vorbild jetzt eingerichtet.
Die zentralen Dienste wie Verwaltung, IT und Personal werden kostengünstig in Bremen zusammen geführt, Bremerhaven bekommt dafür die „Federführung“ für die Geschäftsfelder Energie, Umwelt und Tourismus. Die künftige gemeinsame Beitragsstruktur entspricht dem Bremer Niveau – ein gewichtiges Argument für die Vertreter der 6.300 Bremerhavener Firmen, zuzustimmen. Die bisherige HK Bremen hat 40.000 Mitglieder. Seit der NS-Zeit ist die Kammerzugehörigkeit verpflichtend.
Was nun hingegen wegfällt, ist der ewige Zank um die Zuständigkeit für die – in Bremerhaven liegenden – stadtbremischen Häfen. Der führte in früheren Jahren oft zu „zugespitzten Verhältnissen zwischen den Kammern“, wie die IHK auf ihrer Homepage – wenn auch etwas versteckt – eingesteht. Nun aber wird lieber von dem „entscheidenden Schritt“ gesprochen, „die Standortinteressen kraftvoller wahrzunehmen“. Denn für die Wirtschaft wichtige Themen würden „immer seltener auf kommunaler Ebene getroffen“.
Was bleibt, ist Geschichte – und die ist im Fall der Bremerhavener IHK durchaus stark und identitässtiftend. 1882 widerstand sie als reichsweit einzige Kammer der Anordnung Bismarcks, sämtliche Sitzungsprotokolle und Veröffentlichungen der preußischen Zensur vorzulegen. Lieber löste sie sich selber auf – und nahm erst 1890 wieder ihre Arbeit auf, als Bismarck vom Kaiser entlassen wurde.
Auch ein zweiter Akt zeugt von Zivilcourage: Bei den 1933 von der NSDAP erzwungenen Kammer-Neuwahlen setzte sich Hans Kohnert als unabhängiger Kandidat durch, obwohl die NSDAP die Hälfte der Mitglieder der konstituierenden Sitzung stellte. Kohnert fuhr unmittelbar nach der Wahl nach Berlin, zum Reichswirtschaftsminister, um Polizeischutz zu erwirken. So verhinderte er die Besetzung und Übernahme der Kammer durch die NSDAP.
Andererseits profitierte die IHK von der NS-Raumordnungspolitik: Sie verlor zwar Bremen-Nord, wuchs durch die Zuständigkeit für die Regierungsbezirke Stade und Lüneburg aber bis an die Tore Hannovers – zu einer der deutschlandweit größten Kammern.
Heute ist Bremerhaven die bundesweit kleinste. Das bleibt sie noch bis Ende 2015. Dann soll die gemeinsame Länderkammer ihre Arbeit aufnehmen.
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